Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

156 Das Feuische Reich und seine einzeluen Glieder. (August 24.—29.) 
Majestätsbeleidigung oder wegen Beleidigung eines Mitgliedes Unseres 
königlichen Hauses im Sinne der §8 95 und 97 des Strafgesetzbuches zu 
Freiheitsstrafen rechtskräftig verurteilt sind, diese Strafen, soweit sie noch 
nicht vollstreckt sind, und die noch rückständigen Kosten in Gnaden erlassen. 
Ist wegen einer solchen und wegen einer anderen strafbaren Handlung auf 
eine Gesamtstrafe erkannt, so ist der wegen der ersteren Handlung ver- 
hängte Teil dieser Strafe im vollen Umfange als erlassen anzusehen. Auf 
die von einem mit anderen Bundesstaaten gemeinschaftlichen Gerichte er- 
kannten Strafen findet dieser Erlaß Anwendung, soferne nach den mit den 
beteiligten Regierungen getroffenen Vereinbarungen die Ausübung des 
Begnadigungsrechtes in dem betreffenden Falle Uns zusteht. Unser Justiz- 
minister hat für die schleunige Bekanntmachung mit Ausführung dieses 
Erlasses Sorge zu tragen. 
Schloß Wilhelmshöhe, 24. August 1906. 
Wilhelm. Dr. Beseler. 
24. August. (Nürnberg.) Infolge eines Streiks kommt es 
zu blutigen Zusammenstößen zwischen Streikenden und Arbeits- 
willigen; ein Streikposten wird erschossen; Militär muß die Straße 
säubern; viele werden verwundet. 
25. August. (Marien burg.) Der Gesamtausschuß des 
deutschen Ostmarkenvereins faßt folgenden Beschluß über die 
Polenpolitik: 
1. Der Deutsche Ostmarkenverein ist der Ansicht, daß der preußischen 
Ansiedelungskommission schon heute das Enteignungsgesetz vom 11. Juni 
1874 das Recht gibt, auf Grund einer königlichen Verordnung zur Durch- 
führung eines bestimmten Projektes einzelne Güter zu enteignen. Da aber 
dieses Recht von der Ansiedelungskommission noch nicht ausgeübt ist, hält 
der Ostmarkenverein es für wünschenswert, daß bei der demnächst not- 
wendig werdenden Auffüllung des Ansiedlungsfonds ausdrücklich festgestellt 
wird, daß dieses Recht der Ansiedelungskommission zusteht. 2. Der Deutsche 
Ostmarkenverein hält es für notwendig, daß durch gesetzliche Maßregeln 
eine Verschiebung des Grundbesitzes zu ungunsten der Deutschen verhindert 
wird. 3. Der Deutsche Ostmarkenverein gibt wiederholt seiner Auffassung 
dahin Ausdruck, daß der Verkauf deutschen Grund und Bodens an Polen 
als Verrat am Deutschtum anzusehen ist. Er dankt der nationalen Presse, 
daß sie bei Erörterung der leider wiederholt vorgekommenen Fälle solchen 
Verkaufes der gleichen Auffassung Ausdruck gegeben hat. 
In der Diskussion wird ferner verlangt, daß ein Verbot der pol- 
nischen Sprache für Volksversammlungen erlassen werde, und daß der Staat 
Einfluß auf die Anstellung der katholischen Geistlichen gewinne, weil diese 
die Hauptgegner der Deutschen seien. Auf ein Huldigungstelegramm er- 
widert Reichskanzler Fürst Bülow: Ich danke dem Deutschen Ostmarken- 
verein für sein freundliches Begrüßungstelegramm. Fest entschlossen, an 
der bisherigen Ostmarkenpolitik festzuhalten, rechne ich auf die treue Mit- 
arbeit der dortigen Deutschen, um die dem Deutschtum im Osten gesteckten 
Ziele zu erreichen. " 
26. August. In Hamburg wird eine Bombenfabrik und 
Waffensammlung russischer Nevolutionäre entdeckt. 
29. August. (Potsdam.) Der Sohn des Kronprinzen wird 
getauft auf die Namen Wilhelm Friedrich Franz Joseph Christian
	        
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