Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

Nas Veutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (September 8.) 159 
der seine Stimme erhob, um der Sehnsucht des deutschen Volkes nach 
Wiedererrichtung des Deutschen Reiches die Wege zu ebnen und die Ziele 
zu weisen und den neuerstandenen Kaiser zu begrüßen, den unser Volk so 
lange ersehnt hatte — der Mann, der es miterlebt und mit daran ge- 
arbeitet, daß wieder in den Lüften entrollt ist des Reiches wehende Standarte. 
Alle unsere Wünsche, die wir auf dem Herzen haben, fassen wir dahin zu- 
sammen, möge Gott Euch noch lange erhalten für Euer Land und für 
uns andere zu heiligen Vorbildern, denen nachzustreben ein jeder von uns 
für seine heiligste Pflicht halten möge. Gott segne, schütze und erhalte 
Euch beide."“ 
Der Großherzog erwidert: „Gestatten Ew. Majestät, daß Ich 
auf die wundervollen Worte, auf die schönen Gedanken, die Ew. Majestät 
ausgesprochen haben, Meinen Dank in Kürze sage. Alles, was Sie die 
Güte hatten, über uns zu äußern, wird weit übertroffen dadurch, daß wir 
den Vorzug hatten, die beiden Majestäten hier bei uns zu besitzen, eine 
Auszeichnung, die wir sehr hoch schätzen, hoch schätzen persönlich, aber auch 
in ihrer großen politischen Bedeutung. Ew. Majestät haben selbst dar- 
gelegt, welche Bedeutung es hat, wenn Kaiser und Kaiserin persönlich bei 
einem Feste erscheinen, und so dessen nationale Bedeutung hochhalten. Und 
diese nationale Bedeutung ist es, um derentwillen Ich an Ew. Majestät 
die Bitte richte, uns das Vertrauen und Wohlwollen, das Sie uns bisher 
immer zuteil werden ließen, auch künftig zu bewahren. Wir werden 
trachten, uns dieses Vertrauens würdig zu erweisen. Wir werden auch 
immer von neuem trachten, die hohe Stellung, die Ew. Mojestät in 
unserem Deutschen Reiche besitzen, durch die Hilfe aller derjenigen, welche 
mitzuwirken haben, zu stärken, zu schützen und zu bewahren. Und in 
dieser Gesinnung dankbarster Verehrung bitte Ich die anwesenden Gäste 
mit uns einzustimmen: Ein Hoch auf Seine Majestät den Kaiser und Ihre 
Majestät die Kaiserin des Deutschen Reiches, sie leben hoch!“ 
8. September. (Schlesien.) Auf dem Pfaffenberge bei 
Königszelt wird ein Denkstein zur Erinnerung an das Bunzel- 
witzer Lager Friedrichs des Großen enthüllt. Der Kaiser hält bei 
der Feier folgende Ansprache: 
Als Nachfolger Meines soeben gefeierten großen Ahnen liegt es 
Mir als Herzog von Schlesien am Herzen, Meinen Schlesiern Meinen 
Dank auszusprechen für die herrliche Ehrung des großen Königs und für 
das Gelübde der Treue, welches nun schon 150 Jahre lang durch gute 
und böse Tage von den Schlesiern unentwegt Meinem Hause entgegen- 
gebracht worden ist. Mögen von diesem Steine und von dem heutigen 
Tage wiederum frische und tiefe lebendige Quellen der Treue fließen, von 
den Alten genährt, von den Jungen gepflegt, und mögen zwei Aus- 
sprüche dazu die Unterlage bilden; der eine auf einer kurbrandenburgischen 
Standarte: 
Auf Gott vertrau“, dich tapfer wehr'! 
Darin besteht dein Ruhm und Ehr'; 
Denn wer's auf Gott herzhaft wagt, 
Wird nimmer aus dem Feld gejagt! 
Der zweite ist ein Ausspruch des Großen Königs: Es kommt niemals so 
gut, wie man es hofft, aber auch niemals so schlimm, wie man es be- 
fürchtet! Und so hoffe Ich, daß im festen Vertrauen auf die göttliche 
Fürsorge und Führung nicht nur Meine Schlesier, sondern Mein ganzes 
Volk sich den Aufgaben widmen wird, die es dem Himmel gefällt, ihm zu 
 
	        
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