Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

160 Nas Beuische Reich und seine einjelnen Glieder. (September 8.) 
stellen, und daß von dem hiesigen Stein und dem Lager von Bunzelwitz 
die Ueberzeugung auf das preußische Volk übergehen möge, daß, wenn 
auch wir einmal in ähnlicher Lage sein sollten, so Gott es will, wir auch 
in derselben Weise uns aus dieser Lage herausfinden werden, indem wir 
nicht nur auf ihn vertrauen, sondern auch fest zusammenstehen und die 
Gaben, die uns verliehen sind, aufs äußerste ausnützen und vor allem in 
der Liebe und Hingabe an unser Vaterland gemeinsam wirken! Dann 
wird auch die Zukunft für unser Volk und Land gut bestellt sein. Das 
sei Mein Wunsch und Mein Gebot an Meine Schlesier. Dem Andenken 
des Großen Königs, das wir heute gefeiert haben, ein dreifaches Hurra! 
8. September. (Breslau.) Auf einem Diner der Provinz 
hält der Kaiser folgende Ansprache: 
Mein lieber Oberpräsident! Mit tiefbewegtem Herzen ergreife Ich 
heute das Wort, um als souveräner Herzog von Schlesien zu Meinen 
Schlesiern zu sprechen. Denn die Eindrücke, die in der kurzen Zeit, in 
der Ich unter ihnen weile, auf mich einstürmten, sind so gewaltiger und 
packender Natur, daß die Worte mangeln, um ihnen Ausdruck zu geben 
und die rechte Form zu finden für den Dank, den Ich Meinen Schlesiern 
aussprechen möchte. Nicht bloß am gestrigen Tage, der den Jubel des 
Einzugstages womöglich noch übertönte, und nicht nur von seiten der 
alten Soldaten im schwarzen Rock mit den Kriegsdekorationen auf der 
Brust, die da erzählen können: Wir haben mitgetan zu der Zeit, wo Ge- 
schichte gemacht wurde, und die sich rühmen dürfen, Kriegsgefährten des 
großen Kaisers und seines erhabenen Sohnes, Meines Vaters, zu sein, 
von dem Ihnen allen bekannt ist, wie hoch sein Herz für Schlesien schlug, 
sondern auch heute auf Meiner Fahrt durch die grünen, schlesischen Lande 
nach Bunzelwitz, Schweidnitz und Rogau und zurück, überall habe Ich die- 
selbe Wärme, dieselbe flammende, lodernde Begeisterung gefunden. Es ist 
die alte schlesische Treue, die zum Durchbruch kommt, und die beweist die 
Anerkennung seitens der Bevölkerung für das, was das Haus Hohenzollern 
für sie getan hat. Diese Treue wächst auf einem ganz besonders durch 
die Historie geweihten Boden. Denn wer wollte leugnen, daß der schlesische 
Boden, wie kaum einer, mit der Geschichte unseres Vaterlandes und un- 
seres Hauses in engster Verbindung steht! Und wie könnte man von der 
Entwickelung Schlesiens überhaupt ein Wort reden, ohne zunächst und vor 
allem der einen gewaltigen Figur zu gedenken, von der die Grenadiere 
sangen vom Rhein bis an die Oder: Friederikus Rex unser König und 
Herr! Wo der Blick über Schlesiens Fluren schweift, tauchen die Erinne- 
rungen an ihn auf, an die unvergleichlichen Kämpfe, unter denen er 
Preußen seine Weltmachtstellung schuf, aber auch an die herrliche Friedens- 
arbeit, in der er versuchte, das schwer heimgesuchte Land zu heben und zu 
stärken. Und wiederum in späterer Zeit war es gerade Schlesien vor- 
behalten, einen neuen Hoffnungsstrahl für die schwergeprüften Hohenzollern 
König Friedrich Wilhelm III. zu senden, als ihm die lodernde Begeisterung 
der ersten Freiwilligen in Breslau entgegenschlug, als die ersten Schild- 
erhebungen hier erfolgten, und als Lützows wilde, verwegene Jagd ihr 
Treiben am Zobten vor dem Feind begann. Und so ist es seither ge- 
gangen. Schlesiens Söhne haben gefochten, wo es darauf ankam, für das 
Vaterland einzutreten und ihr Blut einzusetzen. Und so kann man wohl 
sagen, die Geschichte unseres Hauses ist unlöslich verknüpft mit dieser, einer 
der schönsten Provinzen. Und wir können, wenn wir diese reiche Ge- 
schichte überblicken, sie mit einem Wort kennzeichnen, welches einst Mein 
hochseliger Herr Großvater sprach, als nach heißem Ringen die Kaiserkrone 
 
	        
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