FJas Fenisihe Reith und seine einjelnen Slieder. (Oltober 3. —7.) 169
königlich preußische Minister der auswärtigen Angelegenheiten an das
großhberzoglih braunschweigisch-lüneburgische Staatsministerium zu Braun-
weig.
3. Oktober. (Berlin.) Zusammentritt einer internationalen
Konferenz für drahtlose Telegraphie.
5. Oktober. (Essen.) Sämtliche Bergarbeiterverbände, die
220000 Mitglieder umfassen, fordern eine fünfzehnprozentige Lohn-
erhöhung für alle deutschen Bergarbeiter.
5.6. Oktober. (Hamburg.) Der deutsch-evangelische Lehrer-
bund spricht sich gegen die Entchristlichung der Schule aus.
6./7. Oktober. (Goslar.) Nationalliberaler Parteitag.
Vorsitzender ist Abg. Bassermann. Abg. Hieber spricht über
politische Rückblicke und Ausblicke und betont die schwierige Lage der
Partei; sie werde von allen Seiten angegriffen und im Innern herrschten
Differenzen. — Deutschland sei ziemlich isoliert; in der Kolonialpolitik
seien manche Fehler gemacht, aber es sei unwürdig, sie zu übertreiben.
In der inneren Politik mache die Polen- und Welfenfrage Schwierigkeiten,
die wirtschaftlichen Interessenkämpfe ließen die Rücksicht auf die Gesamt-
heit zu sehr vermissen. In der Sozialpolitik müsse der Gedanke herrschen,
daß das Emporstreben der Masse zur Besserung ihrer Lage nicht nur keine
unberechtigte, sondern eine berechtigte, nein, eine erfreuliche, eine Kultur-
bewegung im wahrsten Sinne des Wortes darstellt, und daß der moderne
Staat allen Grund hat, dieses Emporstreben nicht zu unterdrücken, sondern
selbst anzuregen und zu schützen. Wir werden darum, um einen Blick zu
werfen auf die nächsten sozialpolitischen Aufgaben des Reichstags, die Vor-
lage über die Rechtsfähigkeit der Berufsvereine aufs wohlwollendste zu
prüfen haben, wir werden eine gesetzliche Organisation des Arbeiterstandes
in Arbeits= oder Arbeiterkammern begrüßen; denn Gesetz und Organisation.
sind immer besser als bloße Agitation. — Bei der Betrachtung der Finanz-
reform müsse man sich klar machen, daß es unmöglich sei, 200 Millionen
Mark durch populäre Steuern zu decken. — Man müsse danach streben,
einen Grundstock nationaler Staatsgedanken zu schaffen, der allen urteils-
fähigen Männern gemeinsam ist.
In der Debatte wird die Haltung der Partei bei der Reichsfinanz=
reform, insbesondere der Verkehrssteuer, angegriffen: die Finanzreform hätte
man noch drei Jahre verschieben können. Abg. Bassermann: Die Partei
habe nicht die Verantwortung für ein Scheitern der Reform übernehmen
können. Ohne Finanzreform wäre auch das Flottengesetz gefallen. Falk-
Köln: In der Partei bestehe eine Differenz über die Grundfragen. Jetzt
sei der nationale Partikularismus weniger schädlich als der wirtschaftliche
und religiöse; diesen habe die Partei durch das preußische Schulgesetz unter-
stützt. Knoke (Osnabrück): Ohne Zweifel habe die Haltung der Partei
viel Mißstimmung erregt; die Partei sei mitschuld am Niedergange des
Liberalismus, daher sei die Kritik der Jungliberalen zum Teil berechtigt.
Dr. Marwitz (Berlin): Warum habe Hieber kein Wort gegen die Konser-
vativen gesagt? Warum sei das Gerücht über Abmachungen der Partei
mit dem Zentrum über die nächsten Wahlen nicht widerlegt? Abg. Fried-
berg: Die Kritik der Jungliberalen überschreite alles Maß; die Partei
habe im preußischen Abgeordnetenhause alle illiberalen Maßregeln scharf
kritisiert. Eine Programmrevision wäre fehlerhaft; vor den nächsten Wahlen
sei zu agitieren und zu organisieren. — Nach weiterer scharfer Diskussion