10 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 17.—19.)
den Sitzungen des Reichstages steht es gleich, wenn der Abgeordnete außer-
halb des Versammlungsortes des Reichstages durch Arbeiten im Auftrage
des Reichstages in Anspruch genommen ist. Von den Anwesenheitsgeldern
werden die Tagegelder abgerechnet, welche ein Mitglied des Reichstages
in seiner besonderen Eigenschaft als Mitglied einer politischen Körperschaft
für dieselbe Zeit bezieht. Die näheren Bestimmungen erläßt der Präsident
des Reichstags.
Gegen die Anträge stimmt nur ein Teil der konservativen Par-
teien. — Der Bundesrat beteiligt sich an der Beratung nicht, was mehr-
fach als schlechte Behandlung des Reichstags gerügt wird. Die meisten
Redner erwarten von der Ausführung der Beschlüsse eine Stärkung des
Reichsgedankens.
17./19. Janugar. (Hamburg.) Wahlrechtsdemonstrationen.
(Vgl. 1905 S. 95.)
Am 17. wird in der Bürgerschaft über die Wahlrechtsvorlage be-
raten. Die Sozialdemokratie veranstaltet eine Massenkundgebung dagegen
durch Niederlegen der Arbeit um Mittag und Einberufung von Volks-
versammlungen um 4 Uhr. Gegen 15- 20 000 Arbeiter besuchen diese
Versammlungen; am Abend kommt es zu Plünderungen von Geschäften
und Zusammenstößen mit der Polizei, wobei mehrere Schutzleute schwer
verletzt werden. Etwa 75 Personen wurden wegen Raubes und Diebstahls
verhaftet. — Am 19. erläßt die Polizei folgende Bekanntmachung: Nach-
dem an die sozialdemokratischen Versammlungen vom 17. d. M. Auf-
lehnungen schwerster Art gegen die öffentliche Ordnung sich angeschlossen
haben, wird die Polizeibehörde öffentliche Versammlungen für den 21.,
22. d. M. und für die Tage, an denen die Bürgerschaft über die Wahl-
rechtsvorlage verhandelt, ausnahmslos verbieten und sonstige öffentliche
Versammlungen in der nächsten Zeit nur in ganz besonderen Fällen zu-
lassen. Umzüge werden bis auf weiteres überhaupt nicht gestattet. — Eine
auf heute abend einberufene Versammlung der Metallarbeiter wurde von
der Polizeibehörde auf Grund des Vereinsgesetzes verboten.
In den folgenden Monaten werden viele Verhaftete zu Freiheits-
strafen verurteilt.
18./19. Januar. (Reichstag.) Erste Beratung des Gesetz-
entwurfes betr. Uebernahme einer Garantie des Reiches für eine
Eisenbahn von Duala nach den Manengubabergen.
Durch die Vorlage übernimmt das Reich die Garantie für eine
dreiprozentige Verzinsung des von der Kameruneisenbahngesellschaft, welche
die Bahn ausführen soll, aufzuwendenden Gesellschaftskapitals in Höhe von
11 Millionen.
Erbprinz zu Hohenlohe berichtet zunächst über einige in letzter
Zeit vielerörterten Vorgänge in Kamerun und verheißt nähere Darlegungen
in der Kommission. — Die geforderte Bahn sei für Hebung des Handels
und Verkehrs unentbehrlich; sie erleichtere die Kontrolle der Verwaltung
und werde durch Einschränkung der Karawanen viele Exzesse der schwarzen
Träger verhindern und viele Arme zur Arbeit frei machen. — In der
Debatte tadelt Abg. Erzberger (Z.) einige Mängel im Kostenanschlag,
worauf Geh. Legationsrat Helffrich antwortet. Die Vorlage findet grund-
sätzlichen Widerspruch allein bei den Sozialdemokraten; es wird namentlich
viel bemerkt, daß sich Abg. Storz (D. Vp.) und Abg. Goller (fr. Vp.)
kolonialfreundlich äußern. — Eine Aeußerung des Prinzen Hohenlohe,