Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

172 Haos Denisijt KReich und seine rinteluen Glieder. (Oktober 13. 14.) 
Fürsten v. Bülow die abschriftlich beigefügten Schreiben am 2. d. M. zu 
richten. Darauf habe ich die gleichfalls in Abschrift anliegenden Antwort- 
schreiben vom 5. bezw. 7. d. M. erhalten. Nach meiner festen Ueberzeugung 
habe ich durch mein Schreiben an Se. Majestät den Deutschen Kaiser das 
weitestgehende Entgegenkommen bewiesen. Zu meinem lebhaften Bedauern 
hat Se. kaiserl. und königl. Majestät sich Allerhöchst außerstande erklärt, 
der seinem Allerhöchsten Wohlwollen von mir empfohlenen Bitte näher- 
zutreten; auch hat Se. Durchlaucht der Reichskanzler die von mir erbetene 
Unterstützung meines Sr. Majestät unterbreiteten Vorschlages nicht zusagen 
können. Die für die Ablehnung meines Vorschlages angeführten Gründe 
vermag ich in keiner Richtung anzuerkennen. Denn durch die von mir 
vorgeschlagene Neuregelung der Regierungsverhältnisse des Herzogtums würde 
meines Erachtens die Sach= und Rechtslage wesentlich verändert, und ganz 
unerfindlich ist mir, inwiefern die Regierungsübernahme meines jüngsten 
Sohnes im Herzogtum Braunschweig die Interessen des mächtigen Deutschen 
Reiches sollte gefährden können. Ich beschränke mich hiermit darauf hin- 
zuweisen, daß der Bundesratsbeschluß vom 2. Juli 1885, wie ja auch schon 
der Wortlaut desselben ergibt, nur gegen mich, nicht auch gegen die Mit- 
glieder meines Braunschweigisch-Lüneburgischen Hauses sich richtet. An 
vorstehende Mitteilung, welche das Land Braunschweig und besonders die 
Landesversammlung über den im Sinne der Resolution vom 25. v. M. 
von mir unternommenen Ausgleichsversuch und über dessen Zurückweisung 
aufklären soll, knüpfe ich hiermit das an ein Herzogliches Staatsministerium 
gerichtete dringende Ersuchen, dieses mein Schreiben ohne Verzug, wie dies 
mit der an das herzogliche Staatsministerium gerichteten Note des deutschen 
Reichskanzlers und Ministers der auswärtigen Angelegenheiten vom 3. Ok- 
tober geschehen ist, durch die amtlichen Braunschweigischen Anzeigen zur 
öffentlichen Kenntnis zu bringen und, worauf ich ganz besonderes Gewicht 
lege, der Landesversammlung vorzulegen, deren erneute Tagung bevorsteht. 
gez. Ernst August, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg. 
13. Oktober. (Berlin.) Major Fischer wird aus der Unter- 
suchungshaft entlassen, das Strafverfahren wird eingestellt, da sich 
nichts Belastendes ergeben hat (S. 149). Er wird disziplinarisch 
mit Stubenarrest bestraft. 6 
14. Oktober. (Preußen.) In der Erzdiözese Posen-Gnesen 
läßt Erzbischof Stablewski einen Erlaß über den Religionsunter- 
richt verlesen, in dem es heißt: 
Hunderte von Eingaben mit unzähligen Unterschriften sind mir von 
den Eltern übersandt worden, in welchen ihr Schmerz über den unzuläng- 
lichen Religionsunterricht der Kinder infolge der immer größeren Ver- 
drängung der Muttersprache ausgedrückt ist. Die schmerzliche Besorgnis 
der Eltern um die religiöse Erziehung der Jugend war mir schon vordem 
bekannt, und doch ist mein oberhirtliches Herz neuerdings aufs tiefste ge- 
rührt worden. Auf meinen Visitationsreisen habe ich wahrgenommen, daß 
die religiösen Keuntnisse und die Sittlichkeit in der jüngeren Generation 
im Rückschritt begriffen sind. Meine Wahrnehmungen sind mir durch die 
Berichte meiner beiden hochwürdigsten Herren Weihbischöfe und durch die 
Beschwerden der Eltern und Geistlichen noch bestätigt worden. In der 
festen Ueberzeugung, in welcher ich auch früher für die Erteilung des Reli- 
gionsunterrichtes in der Muttersprache eingetreten bin, und infolge von 
trüben eigenen Erfahrungen, habe ich bei jeder Gelegenheit die Mutter- 
  
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.