Das Veuisihe Reich und seine einfeluen Glieder. (Oktober 20.—23.) 175
Oktober. Fleischteuerung (S. 157).
Da die Agitation auf Oeffnung der Grenzen fortdauert, teilt die
„Korrespondenz Hoffmann“ offiziös mit (19. Oktober), daß von der Er-
laubnis, jährlich 50000 Schweine aus Oesterreich nach Bayern einzuführen,
noch kein Gebrauch gemacht worden sei; auch in Sachsen seien nur im
April 300 Schweine eingeführt worden. Fleischknappheit in Oesterreich-
Ungarn und hohe Preise machten die Einfuhr unmöglich.
Oktober. (Preußen.) Der Streik der polnischen Schul-
kinder nimmt nach den Herbstferien zu.
20. Oktober. (Württemberg.) Die Kammer der Abgeord-
neten spricht sich mit 41 gegen 16 Stimmen gegen die fakultative
Zulassung der Simultanschulen aus.
22. Oktober. (Reichstagswahl.) Bei der Ersatzwahl in
Döbeln (Sachsen) erhält Pinkau (Soz.) 12207, Hasse (kons.-natlib.)
8322, Beck (fr. Vg.) 3512 Stimmen.
Oktober. Es macht sich eine lebendige Lohnbewegung unter
den Bergarbeitern geltend. Die Regierung empfiehlt wohlwollende
Prüfung ihrer Forderungen.
23. Oktober. (Braunschweig.) Beschluß des Landtags über
die Wahl eines Regenten.
Die staatsrechtliche Kommission beantragt folgenden Beschluß: 1. Die
Landesversammlung spricht ihre Ueberzeugung dahin aus, daß ohne einen
endgültigen und vorbehaltlosen Verzicht der sämtlichen Agnaten des herzog-
lichen Hauses auf Hannover, die im Interesse des Landes dringend wün-
schenswerte Verständigung zwischen der Krone Preußen und dem Herzog
von Cumberland nicht zu erhoffen ist. 2. Sie ersucht den Regentschaftsrat,
diesen Beschluß zur Kenntnis des Herzogs von Cumberland, sowie der
königlich preußischen Regierung zu bringen und auch die bezüglichen Schreiben
und Abschriften dieses Berichtes beizufügen. Sie gibt ferner der Regent-
schaft anheim, einstweilen den Landtag zu vertagen, und erst dann wieder
zusammentreten zu lassen, wenn entweder eine die Wiederaufnahme der
Verhandlungen zwischen dem Regentschaftsrat und der Landesversammlung
erfordernde Erklärung des Herzogs eingegangen sein sollte, oder ohne daß
solches geschehen würde, eine Frist von drei Monaten verstrichen sein werde.
Zur Begründung ihres Antrages führt die Kommission der braun-
schweigischen Landesversammlung aus: Die Kommission hat bei der Ein-
bringung der Resolution vom 25. September die Tatsache, auf welche sich
der Bundesratsbeschluß vom 2. Juli 1885 stützt, als fortbestehend erachtet.
Sie ist der Ansicht gewesen, daß der Uebernahme der Regierung durch den
Herzog von Cumberland oder einen seiner Söhne der Verzicht auf die
Ansprüche auf Hannover vorhergehen müsse, und daß der Reichskanzler
als Vorsitzender des Bundesrates das geeignete Organ sei, das zweite
Hindernis, die gegensätzliche Stellung des Herzogs zu Preußen, zu be-
seitigen. Diese Ansicht sei irrig gewesen. Der Reichskanzler habe die Ver-
mittlung abgelehnt, weil er die Uebernahme der Regierung seitens des
Herzogs für unmöglich erachtete, da diese durch den Bundesratsbeschluß
vom 2. Juli 1885 ausgeschlossen sei. Gerade deshalb aber, und weil das
Land außerstande sei, die Regierungsverhältnisse endgültig zu regeln, sei