176 JNas Neuische Reich und seine einfelnen Glieder. (Oktober 23.)
der Reichskanzler um Vermittlung gebeten worden. Daß der Bundesrats-
beschluß unschwer zu beseitigen gewesen wäre, bedürfe keiner näheren Be-
gründung. Die Ablehnung habe aber auch durch ihren kühlen Ton ver-
stimmend wirken müssen und leider tatsächlich auch gewirkt. Die Kom-
mission könne sich der Auffassung nicht verschließen, daß der Reichskanzler
wesentlich durch seine Stellung als preußischer Minister des Auswärtigen
beeinflußt worden sei. Die Kommission weist ferner darauf hin, daß das
Reich nichts anderes sei, als ein auf Grund von Bündnisverträgen auf-
gebautes, aus der Gesamtheit der Einzelstaaten bestehendes Staatsgebilde,
daß somit das Wohl des Reiches bedingt werde durch das Wohl der ein-
zelnen Bundesstaaten, daß also der Reichsgedanke leiden müsse, wenn ein
Einzelstaat beim Reiche nicht Entgegenkommen und Förderung finde. Dieses
Entgegenkommen vermisse die Kommission. Die Kommission habe auch er-
wogen, ob nicht eine andere Stelle wegen der Vermittlung anzugehen sei,
halte aber den Versuch für zwecklos, weil leider die mehrgedachten Gegen-
sätze durch das Schreiben des Herzogs an das Staatsministerium vom
9. Oktober noch verschärft worden seien. Die Kommission kann auch der
Auffassung, der Herzog habe durch sein Schreiben vom 2. Oktober an den
Kaiser das weitestgehende Entgegenkommen bewiesen, nicht beipflichten. Da
auch die preußische Regierung zurzeit nicht in der Lage zu sein erklärte,
einen Ausgleich ihrerseits anzubahnen, gelange die Kommission zum Schlusse,
daß der vom Landtag in der besten Absicht unternommene Versuch, die
Thronfolge zu regeln, gescheitert sei. Zu demselben Ergebnis sei auch die
Regierungsvorlage gelangt. Ein längeres Abwarten sei nun nicht un-
bedenklich, da schon jetzt durch die Thronfolgefrage höchst unliebsame Gegen-
sätze innerhalb des Landes hervorgerufen worden seien. Die Kommission
halte es aber doch für zulässig, daß noch einmal der Versuch, die Gegen-
sätze zu beseitigen, unternommen werde, dadurch, daß der Landtag aus-
drücklich Stellung nehme zu dem Anspruch des Herzogs auf Hannover.
Der Verzicht auf Hannover sei die Grundlage, auf der allein die im
Interesse des Landes dringend erwünschte Verständigung erhofft werden
könne. Würde er ausgesprochen, und zwar derart, daß ein endgültiger
vorbehaltloser Friede geschlossen werden würde von allen Agnaten des
herzoglichen Hauses, so müßte sich ein Ausgleich der sonstigen, zwischen der
Krone Preußen und dem Herzog von Cumberland bestehenden Gegensätze
bei beiderseitigem Entgegenkommen unschwer erzielen lassen. Wenigstens
könnte der Bundesrat dann nicht umhin, von neuem zur braunschweigi-
schen Thronfolgefrage Stellung zu nehmen. Die Frage, ob der Verzicht
auf Hannover angängig sei, sei schon seit langer Zeit erörtert und zweifellos
auch vom Herzog so ernst und eingehend erwogen worden, daß man einen
endgültigen Entschluß binnen kurzer Frist werde erwarten können. Es
erscheint daher unbedenklich, bis zum Ablauf einer solchen Frist von der
Vorbereitung der Wahl eines Regenten Abstand zu nehmen. Würde auch
dieser Versuch ohne Erfolg bleiben, so könnte der Landesversammlung die
Anerkenntnis nicht versagt werden, daß sie den Ausgleich unter rückhalt-
loser Anerkennung der Rechte des herzoglichen Hauses, aber auch unter
Wahrung der Interessen des Reiches redlich angestrebt habe
Staatsminister v. Otto wendet sich gegen einige Stellen in dem
Bericht, die den Reichskanzler betreffen, und betont dabei, daß das Schreiben
des Reichskanzlers erst durch das Schreiben des preußischen Ministeriums
des Auswärtigen ins rechte Licht gesetzt werde. Er sei mit den Anträgen
der staatsrechtlichen Kommission einverstanden und ersuche nur den Satz
zu streichen, daß auch Abschriften des Berichtes der Kommission an den
Herzog von Cumberland und an die preußische Regierung gesandt werden