180 Jaos Veuische Reich und seine einfelnen Glieder. (November 13. 14./15.)
Meiner Gemahlin und Meiner selbst für den unvergleichlich schönen Auf-
enthalt, den Sie Uns bereitet haben. Der heutige Tag reiht sich würdig
an die Seite des Nürnberger Tages. Der Empfang seitens der Bevöl-
kerung Euerer Königlichen Hoheit Residenz war getragen von einem großen
nationalen Gedanken und spielte sich ab auf einem wunderbaren Hinter-
grund köstlicher Kunst. Ich bitte, Meinen innigsten und herzlichsten Dank
zu Füßen legen zu dürfen für die Begrüßung seitens Eurer Königlichen
Hoheit und für den Jubel und Enthusiasmus seitens der Münchener. Die
schönste Weihe des Festes war aber für uns alle, daß wir Eurer König-
lichen Hoheit erlauchte und erhabene Person in so voller Frische dem Feste
haben vorstehen sehen können, und Ich glaube aus dem Herzen eines jeden
nwesenden, eines jeden Bayern sprechen zu dürfen, wenn Ich rufe: Ich
bitte Gottes Segen auf das Haupt Eurer Königlichen Hoheit und Sein
erlauchtes Haus. Seine Königliche Hoheit der Prinzregent, er lebe hoch,
hoch, hochl
13. November. Der Reichstag eröffnet die Sitzungen wieder.
14./15. November. (Reichstag.) Interpellation über die aus-
wärtige Politik. Bülow über die Beziehungen zu allen Groß-
mächten, die Konferenz von Algeciras, die Sozialdemokratie und
auswärtige Politik, die Dogmatisierung Bismarcks, den alldeutschen
Verband. Persönliche Erinnerungen; Auswahl der Diplomaten,
persönliches Regiment.
Abg. Bassermann (nl.) bringt folgende Interpellation ein: Ist
der Reichskanzler bereit, Auskunft zu geben über unsere Beziehungen zu
den übrigen Mächten und sich über die Besorgnisse zu äußern, welche in
vielen Kreisen unseres Volkes wegen der internationalen Lage bestehen? —
Zur Begründung führt er aus: In Deutschland herrsche allgemeine Unzu-
friedenheit über die Lage; diese Stimmung sei durch die Veröffentlichung
der Hohenlohememoiren verstärkt; man müsse den vorzeitigen Abgang Bis-
marcks abermals bedauern und sich über die Berufung des verbrauchten
Hohenlohe wundern. Der Reichskanzler habe heute einen schweren Stand,
da allerlei Einflüsse, die an die Kamarilla Friedrich Wilhelms IV. erinnerten,
gegen ihn tätig seien. Warum sei Deutschland heute unbeliebt und isoliert,
während es zur Zeit Bismarcks beliebt war? Die Unstetigkeit der Leitung
habe das verursacht; man besorge, daß die obersten Posten der Diplomatie
nicht nach der Leistungsfähigkeit, sondern nach Rücksichten auf persona
grata und gratissima besetzt würden. Die Verhältnisse im Dreibund hätten
sich verschlechtert durch die Annäherung Italiens an Frankreich und die
Differenzen zwischen Italien und Oesterreich. England ziele auf eine
Isolierung Deutschlands ab und stehe im Begriff, sich mit seinem alten
Gegner Rußland zu verständigen, nachdem es Frankreich bereits gewonnen
habe. So sei die Lage nicht rosig, wenn auch eine akute Gefahr nicht
bestehe, aber da jetzt der Friede nur durch Bündnisse aufrecht erhalten
werden könne, sei die Lage für Deutschland bedenklich. Auch die Unruhen
am Balkan und die Bestrebungen Englands in Asien verdienten ernste
Aufmerksamkeit. Persönliche Sympathien und Schwankungen erschwerten
die Leitung der deutschen Politik, die dadurch geschaffenen Unstimmigkeiten
ließen sich durch Depeschen und Reden nicht korrigieren.
Reichskanzler Fürst Bülow dankt zunächst für die ihm während
seiner Krankheit bewiesene Teilnahme. In Beantwortung der Inter-
pellation will ich jetzt auf unsere internationalen Beziehungen eingehen