Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

Das Denische Reithh und seine eiujelnen Glieder. (November 14./16.) 183 
Gang der Weltuhr beitrug. Wir hoffen, daß man von der französisch- 
englischen Entente cordiale dasselbe wird sagen könnne. Gute Beziehungen 
zwischen Deutschland und Rußland haben der französisch-russischen Allianz 
keinen Abbruch getan. Gute Beziehungen zwischen Deutschland und Eng- 
land können an und für sich ebensowenig im Widerspruch mit der Entente 
cordiale stehen, wenn diese friedliche Zwecke verfolgt. Die Entente cordiale 
ohne gute Beziehungen der Westmächte zu Deutschland wäre eine Gefahr 
für den europäischen Frieden. Eine Politik, die darauf gerichtet wäre, 
Deutschland einzukreisen, einen Kreis von Mächten um uns zu bilden um 
uns zu isolieren und lahm zu legen, wäre eine für den Frieden in Europa 
bedenkliche Politik. (Sehr richtig!) Solche Ringbildung ist nicht möglich 
ohne Ausübung eines gewissen Drucks. Druck erzeugt Gegendruck. Aus 
Druck und Gegendruck können schließlich Explosionen hervorgehen. (Sehr 
richtig! in der Mitte und rechts.) Darum ist es besonders erfreulich, daß 
gerade in französischen Blättern der Gedanke ausgesprochen wurde, ein 
gutes Einvernehmen zwischen Deutschland und England sei notwendig für 
die Erhaltung des Friedens und liege deshalb auch im französischen Inter- 
esse. (Sehr richtigl) 
Zwischen Deutschland und England steht kein unnützes Erinnern. 
Zwischen Deutschland und England bestehen auch keine tieferen politischen 
Gegensätze. Es hat Verstimmungen zwischen beiden Völkern gegeben, un- 
praktische und unverständliche Verstimmungen, an denen, wie gewöhnlich 
im Leben, beide Teile ungefähr gleich viel Schuld haben, aber keine feind- 
seligen Taten. In geistiger Beziehung, in Kunst und Wissenschaft stehen 
beide Völker sich nahe. Nicht mit Unrecht hat man von einer geistigen 
Verwandtschaft zwischen Engländern und Deutschen gesprochen. Goethe 
und Kant gehören den Engländern, wie Shakespeare und Darwin auch 
uns gehören. Wirtschaftlich sind wir aufeinander angewiesen, der inter- 
nationale Verkehr besteht nun einmal aus Geben und Nehmen. Gewiß 
ist zwischen Deutschland und England wirtschaftliche Konkurrenz und Ri- 
valität vorhanden. Solche Konkurrenz braucht aber keinen politischen 
Gegensatz, geschweige denn einen Krieg zu entzünden. Wir haben solche 
Rivalitäten auch mit Oesterreich-Ungarn und Italien, ohne daß sie unsere 
Beziehungen zu diesen Mächten ernstlich schädigten. England hat sie mit 
Japan und Amerika, ohne daß die guten politischen Beziehungen dadurch 
gestört würden. Deutschland und England sind sich gegenseitig gute Kunden, 
sogar so gute Kunden, daß jeder von beiden Anlaß hat, sich den anderen 
als Kunden zu erhalten. (Sehr richtig! links.) Schon deshalb sollten 
alle verständigen Leute das Ihrige tun, um zwischen Deutschland und Eng- 
land Mißverständnisse zu beseitigen und das gegenseitige Verständnis zu 
fördern, wo auch derartige Mißverständnisse stattgefunden haben mögen. 
In diesem Zusammenhange moöchte auch ich meine Befriedigung aussprechen 
über die Gastfreundschaft, welche die Bürgermeister und Stadtverordneten 
deutscher Gemeinden in England gefunden haben, und über die Worte, 
die bei dieser Gelegenheit in London gefallen sind. (Bravol links.) Solches 
Sichnähertreten von Mensch zu Mensch, von Volk zu Volk, solcher persön- 
licher Verkehr ist nützlich und wichtig. (Sehr richtig!l) Auch von dem 
Besuch unserer Journalisten in England erwarte ich gute Folgen. Ich 
glaube, daß sich der verehrte Herr Vorredner hierüber zu skeptisch aus- 
gesprochen hat. (Sehr richtigl) Ich hoffe, daß die Journalisten beider 
Länder sich nicht nur als Menschen, sondern auch als Gentlemen kennen 
gelernt haben, und daß sie bei allem Patriotismus und edler Ueberzeugungs- 
treue in ihrer Polemik künftig Gehässigkeit und mala fides vermeiden 
werden. Auf beiden Seiten des Kanals werden sich die Herren von der
	        
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