12 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 22.—24./25.)
wird verspottet; es wird angenommen, die Sozialdemokratie habe einige
Zusammenstöße gern gesehen, um vortreffliches Agitationsmaterial zu ge-
winnen, aber die gewaltigen Vorbereitungen hätten die Führer so erschreckt,
daß sie von Demonstrationen abrieten. Die Behauptung, daß die Regie-
rung einen Zusammenstoß habe provozieren wollen, wird durch die sozial-
demokratische Presse selbst widerlegt, die anerkennt, daß die Polizei sich
durchaus taktvoll und zurückhaltend benommen habe.
In vielen anderen großen Städten finden ebenfalls Versammlungen
statt, die alle ruhig verlaufen.
22. Januar. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Auf
eine Zentrumsinterpellation, ob über das Verhalten der katholischen
Geistlichen durch die Polizei und andere Verwaltungsorgane eine
geheime Kontrolle geführt würde, erwidert Kultusminister Studt,
daß eine solche Kontrolle nicht bestehe; gelegentliche Informationen
würden über die Geistlichen wie über jeden anderen Beamten ein-
gezogen.
23. Januar. Das Preußische Abgeordnetenhaus dis-
kutiert in der zweiten Beratung des landwirtschaftlichen Etats leb-
haft die Fleischteuerung.
23. Januar. (Preußen.) Unter Vorsitz des Kultusministers
tritt eine Konferenz zusammen, um über Reform des höheren
Mädchenunterrichts zu beraten. Der Kommission gehören Schul-
männer, Beamte, Gelehrte und einige Damen an.
24./25. Januar. (Reichstag.) Beschluß der Budgetkommission
über die Brausteuer.
Nach Ablehnung der Regierungsvorlage und mehrerer Anträge wird
folgender Antrag Speck (Z.) mit 16 gegen 11 Stimmen (Sozialdemo-
kraten, Freisinnige, Polen, Antisemiten) angenommen: Die Steuer beträgt
für jeden Doppelzentner der nach § 3 Abs. 2 berechneten steuerpflichtigen
Braustoffe, sofern der Jahresverbrauch an Braustoffen in einem Brauerei-
betrieb innerhalb eines Rechnungsjahres
500 Doppelzentner nicht übersteigt 4,— M für jeden Doppelzentner
1000 " " " 4,50 " " " "
2000 " " " 5,— " " " "
3000 " " " 5,50 " " " "
4000 " " " 6,— " " " "
5000 " " " 6,50 " " " "
7500 " " " 7.— " " " "
10000 " " " 7,50 " " " "
mehr als 10000 Doppelzentner beträgt 8.— " " " "
Die Veranlagung der Brauereibetriebe zur Steuer erfolgt für jedes
Rechnungsjahr vor Beginn desselben nach dem durchschnittlichen Verbrauch
der unmittelbar vorhergegangenen drei Jahre. Besteht ein Betrieb noch
keine drei Jahre, so hat die Veranlagung durch die Steuerbehörde nach
dem aus dem bisherigen Betriebsumfang für ein Jahr sich berechnenden
durchschnittlichen Verbrauch zu erfolgen. Für neu entstehende Betriebe
erfolgt die Steuerveranlagung für das erste Betriebsjahr nach den näheren
Bestimmungen des Bundesrats.