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wortung vor Krone, Land und Geschichte nicht übernehmen kann. Aber
die Auffassung, als ob der Monarch in Deutschland keine eigenen Ge-
danken über Staat und Regierung u. s. w. haben dürfe, als ob er nur
mit dem Kopf seiner Minister denken dürfe, als ob er nur sagen dürfe,
was sie ihm aufgesetzt haben, ist grundfalsch und widerspricht dem deutschen
Staatsrecht, wie auch den Wünschen des deutschen Volkes. (Lachen bei
den Sozialdemokraten.) Das deutsche Volk will keinen Schattenkaiser, es
will einen Kaiser von Fleisch und Blut. Das Auftreten und die Aeuße-
rungen einer starken Persönlichkeit, wie es unser Kaiser ist, bedeutet noch
lange keine Verletzung der Verfassung. Nennen Sie mir einen einzigen
Fall, wo unser Kaiser sich in Widerspruch gesetzt hätte mit der Verfassung.
Sie werden mir jetzt und niemals einen solchen nennen können, denn ich
bin überzeugt, daß unser Kaiser die Verfassung stets gewissenhaft beobachten
wird, wie das seine Pflicht ist. Wenn aber der Kaiser die ihm von der
Verfassung gezogenen Schranken innehält, so vermag ich in den Klagen
über persönliches Regiment oder gar über Absolutismus nur den Ausdruck
der heutigen Neigung zu Uebertreibungen zu erkennen. Dann hat der
Abg. Wiemer auch von Kamarilla gesprochen. Kamarilla ist ein Fremd-
wort (Stürmische Heiterkeit), es ist eine häßliche, fremde Giftpflanze, die
man nie versucht hat, in Deutschland einzupflanzen, ohne großen Schaden
für das Volk . . . (Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Würden Sie nicht
die Güte haben, mir nachher zu antworten, statt mich beständig zu unter-
brechen ohne großen Schaden für die Fürsten und für das Volk.
Unser Kaiser ist aber ein viel zu gerader Charakter und viel zu klarer
Kopf, als daß er sich in politischen Dingen anderswo Rat holen sollte,
als bei seinem eigenen Pflichtgefühl und seinen berufenen Ratgebern. Des-
halb richte ich die Bitte an die Herren, lassen Sie unbegründetes Mißtrauen
fahren und vereinigen Sie sich auch in diesem Winter mit den verbündeten
Regierungen zu fruchtbringender und ersprießlicher Arbeit. (Beifall.)
Am folgenden Tage wird die Debatte abgeschlossen.
In der Presse wird hervorgehoben, daß Bülow seine frühere Frische
wieder erlangt habe. Die Blätter der Rechten und des Zentrums stimmen
im allgemeinen seinen Darlegungen zu, auch die der freisinnigen. Volks-
partei sind meist wohlwollend. Scharfe Kritik üben einige nationalliberale
Blätter, wie die „National-Zeitung“, weil er keine genügende Erklärung
über das persönliche Regiment gegeben habe. Mit den Reden der Parla-
mentarier befaßt sich die Presse kaum. Die „Preußischen Jahrbücher“ kri-
tisieren die Reden der Abgeordneten, insbesondere die der Interpellanten
scharf; es sei kein positiver Gedanke zum Ausdruck gebracht und eine tiefere
Vorstellung von den Zusammenhängen der europäischen Politik fehle völlig.
Ein Reichstag mit solchen Fähigkeiten müsse von der auswärtigen Politik
so fern gehalten werden als irgend möglich.
16. November. (Berlin.) Eine Denkschrift des Generalstabs
über Deutsch-Südwestafrika betont die unbedingte Notwendigkeit des
Bahnbaues von Kubub bis Keetmanshoop.
17. November. (Berlin.) Der Kaiser erläßt folgende Kund-
gebung zur Erinnerung an den Beginn der modernen Sozialpolitik:
Der heutige Tag, an welchem vor 25 Jahren der in Gott ruhende
Kaiser und König Wilhelm der Große seine unvergeßliche Botschaft erließ,
gibt Mir willkommenen Anlaß, mit dem deutschen Volke in ehrfurchtsvoller
Dankbarkeit dieses Friedenswerkes zu gedenken, durch welches Mein er-
lauchter Ahnherr zum Schutze der wirtschaftlich Schwachen der Gesetz-