Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

206 Jas Fenuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Nov. 28./Dez. 4.) 
wenn ich bereits jetzt einige Leitsätze ausspreche, in deren Richtung sich 
meine weitere Arbeit zu bewegen haben wird. Das giel einer verständigen 
Kolonialverwaltung muß sein: die Schaffung von mit dem Vaterlande eng 
verbundenen, aber administrativ unabhängigen, wirtschaftlich gesunden Ko- 
lonien. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es einer großen Anzahl von 
Maßnahmen. Ich mochte einige herausgreifen. Die Schaffung eines in 
guten Traditionen aufgewachsenen, dem Heimatlande treu ergebenen Be- 
amtenstandes; ein solcher ist nur erzielbar auf Grund einer gesetzlichen 
Festlegung der Rechte und Pflichten, einer auskömmlichen Dotierung und 
Versorgung gegenüber den aus dem Kolonialdienst sich ergebenden Gefahren 
und gesundheitlichen Schädigungen. Eine solche gesetzliche Festlegung ist 
von diesem Hohen Hause wiederholt gewünscht worden. Es haben ein- 
gehende Vorbesprechungen stattgefunden, in welcher Weise diese überaus 
wichtige Frage gelöst werden kann. Ich hoffe, daß sie befriedigend gelöst 
werden kann, und daß die Resultate dieser Beratung in nicht zu langer 
Frist dem Hause werden vorgelegt werden können. Meine Herren, der 
Gang der Dinge dieser Welt wird nicht durch Einrichtungen, sondern durch 
Personen bestimmt, und eine erfolgreiche Kolonialverwaltung hat zur Voraus- 
setzung, daß für sie die besten Personen gefunden werden. (Sehr richtig!) 
Für den Dienst in unseren Kolonien ist der beste Mann und Charakter 
gerade gut genug. (Lebhafte Zustimmung.) Eine absolut fleckenlose weiße 
Weste ist die erste Bedingung! Auf die Angriffe, die sich im wesentlichen 
gegen Beamte der Kolonialabteilung und gegen Offiziere der Schutztruppen 
gerichtet haben, gehe ich nicht ein. Bei der verantwortlichen Stellung, 
die die Kolonialbeamten einnehmen, der Gefährdung, die durch unsach- 
gemäße Behandlung der Geschäfte dem Deutschen Reiche und seinen Finanzen 
erwachsen kann, ist es absolut notwendig, daß jeder Kolonialbeamte sich 
der hohen Pflicht seines Amtes in jeder Sekunde bewußt ist. Die Ver- 
waltung wird alle Verfehlungen, wie bereits der Herr Reichskanzler aus- 
gesprochen hat, unnachsichtlich vor das gehörige Forum ziehen, und es 
wird niemand seiner gerechten Strafe entgehen dürfen. Aber ebenso ist 
das notwendige Korrelat einer solchen Praxis, daß auch diejenigen weitaus 
die größte Ueberzahl bildenden Beamten, welche im Dienste ihres Vater- 
landes in ungesundem Klima unter schwierigen Eingeborenenverhältnissen 
bei nicht übermäßig glänzender Remuneration leben, von Amts wegen gegen 
unberechtigte und heimtückische Angriffe geschützt werden. (Bravol rechts.) 
Es soll auch eine Praxis der Verwaltung sein, soweit sich Angriffe als 
Verleumdungen und Ehrenkränkungen herausstellen, daß die Verwaltung 
gegen die Verleumder und Beleidiger vorgeht. (Bravol) Hinsichtlich der 
hierüber erhobenen Anschuldigungen hat der Herr Reichskanzler auf meinen 
Antrag eine Kommission eingesetzt, bestehend aus zwei preußischen höheren 
Richtern und einem Staatsanwalt, Beamten, welche mit der Kolonial-= 
verwaltung nie etwas zu tun gehabt haben. Diese Beamten werden sämt- 
liche Fälle, welche entweder in diesem Hause oder in der Presse oder sonstwo 
vorgebracht sind, auf das eingehendste untersuchen, und es wird diesem 
Hause von dem Resultat der Untersuchungen Kenntnis gegeben werden. 
Eine weitere Voraussetzung für die Errichtung selbständiger und leistungs- 
fähiger Kolonien ist die Etablierung derjenigen Basen, auf welchen euro- 
päische Kultur fortschreiten kann. Hierzu gehört die außerordentlich schwierige 
und verwickelte Frage des Eingeborenenrechtes und der Eingeborenenbehand- 
lung, und vor allen Dingen ein gutes Einverständnis mit den der Kultur 
dienenden verdienstvollen Missionsgesellschaften und Missionaren, welche ja 
zum Teil die Vorläufer der staatlichen Verwaltung gewesen sind. Ueber 
diesen Gegenstand ausführlicher sich auszulassen, wird die Beratung des
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.