Das Denisqhe Reiqh und seine einjelnen Glieder. (Nov. 28. / Dez. 4.) 207
Etats für 1907 die Gelegenheit geben. Ferner aber gehört in dieses
Kapitel die Frage der wirtschaftlichen Selbständigkeit, zu deren Erzielung
sowohl der Staat als auch das Privatkapital das ihrige beizutragen haben.
Eine wirtschaftliche Selbständigkeit der Kolonien muß sich auf deren eigene
Einnahmen gründen. Diese Einnahmen können nur entstehen durch die
Begünstigung privater wirtschaftlicher Tätigkeit, sei es von Kolonialgesell-
schaften oder durch Konzessionierung von Gesellschaften, welche den Boden
und die Naturschätze der Kolonien in sachgemäße Bewirtschaftung nehmen,
und diejenigen Produkte erzeugen, welche die deutsche Nationalwirtschaft
von dem Ausland unabhängiger gestalten und die Lebenshaltung der ar-
beitenden Klassen erleichtern. Wenn es demnach Aufgabe der Kolonial=
verwaltung ist, die Entstehung und erste Entwicklung dieser privaten Unter-
nehmungen nach Kräften zu fördern und zu erleichtern, so muß das Reich
andererseits von vornherein Vorkehrungen dahin treffen, daß schon von
Anfang an die Notwendigkeit ungemessener fiskalischer Leistungen aus-
geschlossen ist. Solche fiskalischen Leistungen in Form von Zöllen und
Steuern können das Substrat einer wirtschaftlichen Selbständigkeit abgeben.
Gerade nach dieser Richtung hin ist in der Vergangenheit manches verfehlt
worden. Manches kann allerdings noch gebessert werden, aber der Gesichts-
punkt muß im Auge behalten werden, daß die Grundlage, auf der sich
wirtschaftliche Gebilde aufbauen, Geschenke, Konzessionen von seiten des
Reiches sind, und daß das Privatkapital nur die Befruchtung dieser Ge-
schenke übernimmt. Auf diesem Substrat einer gesunden Erkenntnis, daß
das Privatkapital eine Unterstützung notwendig hat, werden sich die privat-
wirtschaftlichen und die fiskalischen Interessen leicht die Hand reichen. Zu
diesem Abschnitt gehört die Schaffung von Verkehrswegen, welche das Privat-
kapital nicht oder noch nicht hat in die Hand nehmen können, weil das
Risiko ein zu erhebliches ist. Diese Aufgabe ist nun eine der allerschwierig-
sten und umfangreichsten unserer Kolonialverwaltung; jeder Schritt bedarf
der allersorgsamsten Ueberlegung und der gründlichsten Vorbereitung, denn
jeder Fehler rächt sich schwer und kostet unzählige Summen. Als ich, ein
Kaufmann, zur Durchführung kaufmännischer Prinzipien in die Verwaltung
berufen wurde, habe ich zunächst versucht, diese Prinzipien dadurch in An-
wendung zu bringen, daß ich eine Inventur dessen habe aufnehmen lassen,
welches der gegenwärtige Stand des deutschen Kolonialwesens sei. Diese
Aufstellung ist der Natur der Sache nach sehr umfangreich und verlangt
eine sehr exakte Arbeit und ein vorsichtiges Urteil. Die Quellen waren
alle nicht leicht zu erreichen, und die Zahlen müssen in vielen Fällen auf
ihre Zusammensetzung geprüft werden. (Sehr wahr! links.) Ich kann
Ihnen diese Arbeit in vollem Umfange nicht vorlegen. Zugegangen sind
Ihnen eine Zusammenstellung über die deutschen Kapitalsinteressen in den
Kolonien exklusive Kiautschon und eine solche über die finanzielle Ent-
wickelung dieser. Eine weitere Denkschrift über dasjenige, was die euro-
päischen Nationen im Eisenbahnbau in Afrika geleistet haben, und welche
Erfolge dabei erzielt sind, befindet sich in Vorbereitung; andere Denk-
schriften werden folgen. Ich habe versucht, den Inhalt dieser Denkschriften
möglichst zu beschränken; das Material ist bereits so umfangreich, daß ich
versuchen wollte, um die Mühe des Durchlesens zu ersparen, an Stelle
dickleibiger Beilagebände graphische Darstellungen zu setzen, welche Beginn,
Fortsetzung und mögliche zukünftige Gestaltung der Entwickelung zeigen.
Das hindert nicht, daß das gesamte Material auf das exakteste und sorg-
fältigste gesammelt ist, und daß es der Budgetkommission des Reichstages
vorgelegt werden wird. Nach manchem was ich gelesen habe, werde ich
als ein allzugünstiger Beurteiler angesehen, und ich habe mich darin nicht