Fas Beische Reich und seine einzelnen Glieder. (Nov. 28./Dez. 4.) 217
burgs. Ueber Togo müßten nähere Aufklärungen gegeben werden. Eine
gründliche Reform des materiellen Kolonialrechts sei im Interesse der Ein-
geborenen nötig; am besten würde eine parlamentarische oder eine gemischte
Untersuchungskommission ernannt. Es würde in den Kolonien zuviel ge-
prügelt. Die Zustände im kolonialen Beamtentum seien, wie aus den
gegenseitigen Denunziationen hervorgehe, unhaltbar. Abg. Erzberger (3.)
Ich kann bestätigen, daß die Fraktion von den von Herrn Roeren er-
wähnten Verhandlungen mit dem Reichskanzler und dem Kolonialamt keine
Kenntnis gehabt hat. Wir haben darüber nicht mit Herrn Roeren ge-
sprochen. Neu war für uns, daß man über solche Verhandlungen kein
Protokoll aufnahm, sondern daß sich Beamte darüber Aufzeichnungen
machten. Man muß sich bestimmt dagegen aussprechen — ich tue das im
Namen meiner Fraktion —, daß solche Aufzeichnungen als Aktenmaterial
hier im Reichstage verwertet werden, wenn solche Aufzeichnungen dem
Betreffenden nicht einmal vorgelegt worden sind. Wir werden uns in
Zukunft wohl hüten, die Kolonialabteilung wieder zu betreten, sondern
werden diese Dinge nur hier im Reichstage vorbringen, wenn es so in
Zukunft weiter geht. Der Kolonialdirektor hat gesagt, die erwähnte Aus-
sage des Abg. Roeren sei während einer eidlichen Vernehmung gefallen.
Es herrscht überall der Eindruck, daß jener Passus in jener eidlichen Ver-
nehmung selbst gebraucht sei. Das ist aber tatsächlich unrichtig. In dem,
was der Abg. Roeren beschworen und unterzeichnet hat, findet sich davon
nicht das geringste. Die Aeußerung ist von zwei Kolonialbeamten in einem
Nachbericht den Kolonialakten beigelegt worden. Ich bin fest überzeugt,
daß der Kolonialdirektor bei ruhiger Ueberlegung sich überzeugt, daß es
nicht statthaft war, diese Waffe hier im Reichstage gegen Roeren zu ver-
wenden. — Warum sei der Kolonialdirektor auf die von Roeren an-
geführten Mißhandlungsfälle nicht eingegangen? Kolonialdirektor Dern-
burg: Diese Fälle seien noch nicht erwiesen. Zu rügen sei die Taktik
der Missionen, von langer Hand her Material zu sammeln und damit
aufzutreten, wenn schon ein Teil der Zeugen gestorben sei. In der „Köl-
nischen Volkszeitung“ vom 16. November 1906 heißt es: „Von dem reich-
lich zur Verfügung stehenden Material haben sie (die Missionare) keinen
Gebrauch gemacht, da sie dem Prinzip huldigen, erst zu sprechen, wenn
die dringendste Not es fordert.“ Was wir brauchen, ist nicht, daß jemand
Material sammelt, wenn es die Not fordert, sondern daß er alsbald auf-
tritt, damit die Uebelstände sofort abgestellt werden und nicht erst nach
sieben Jahren wie im Falle Kersting.Ich habe mich weiter dagegen
gewendet, daß ein Druck auf die Verwaltung ausgeübt worden ist, und ich
habe bedauert, daß dieser Druck sehr effektiv geworden ist. Ich habe ver-
schiedene Aufzeichnungen vorgelesen, und wenn ein falscher Eindruck er-
weckt ist, so ist das jedenfalls nicht durch mich geschehen. Ferner habe
ich eine Registratur vorgelesen, gegen deren Verlesung der Abg. Erzberger
sich gewendet hat. Registraturen werden in der Kolonialabteilung ge-
wöhnlich nicht gemacht. Nur wenn außerordentliche Dinge vorkommen,
die den Beamten wirklich auffallen, wenn sie denken: „Hier geschieht ein
Unrecht, das dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren“, dann werden
Registraturen gemacht. Wenn also Gesuche an die Kolonialabteilung
kommen, die keine Aeußerungen hervorrufen, wie die vom „tkaudinischen
Joch“ oder: „Das Zentrum bewilligt keinen Groschen mehr“, was ich nie
geglaubt habe (Zurufe bei den Sozialdemokraten: Wir auch nicht! und
stürmische, anhaltende Heiterkeit), dann werden keine Registraturen gemacht,
und dann kann ich auch keine vorlesen.
Hierauf werden die Vorlagen der Budgetkommission überwiesen.