Das Veuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 13.) 223
v. Richthofen gewünschten Erklärungen diesen Antrag dahin interpretieren,
daß die Einsetzung der einschränkenden Bedingung in das Dispositiv irgend
einen Eingriff in die Kommandogewalt nicht bedeutet und daß im Not-
falle, falls die Verhältnisse es erheischen, falls die vis major eintreten
sollte, auch eine größere Truppenmacht im Schutzgebiet zurückbehalten werden
soll. Ich glaube, daß darüber auch bei den Herren der Linken, die den
Antrag gestellt haben, kein Zweifel besteht. Abg. Schrader (fr. Vg.): Bei
den unberechenbaren Verhältnissen halte seine Fraktion den Zentrums-
antrag für unannehmbar und werde für den Antrag Ablaß stimmen.
Abg. Spahn (Z.): Der Antrag Hompesch versagt keinen Mann und keinen
Groschen. Wir wünschen nur, daß, wenn das Kreditgesetz kommt, die ganze
Summe der Etatüberschreitung für 1906 festgestellt wird und sich der Reichs-
tag dann darüber schlüssig macht. Würden wir jetzt die 29 Millionen voll
bewilligen, so würden wir das Bild verschleiern. (Sehr wahr! links.)
Unser Antrag beschränkt in keiner Weise die Kommandogewalt. Vor dem
1. April wird kein Mann mehr zurückgezogen, wie die, welche die Re-
gierung freiwillig zurückzieht. Der Generalstab hat erklärt, daß in aller-
nächster Zeit die Entscheidung in Südwestafrika fallen wird. Wie kann
da unser Antrag eine nationale Versündigung sein, der erst nach acht bis
neun Monaten Folgen haben wird? (Sehr gut! im Zentrum.) Oberst-
leutnant Quade: Militärische Rücksichten machten die Verminderung der
Truppen auf 2500 Mann unmöglich; hierdurch würde man den Kampf
aufgeben und den Gegner materiell und moralisch stärken, während jetzt
auf baldige endgültige Erfolge zu hoffen sei.
Reichskanzler Fürst Bülow: Ich halte mich für verpflichtet, Sie
nochmals in letzter Stunde auf die schwere Verantwortung hinzuweisen,
welche Sie durch Ihre bevorstehenden Beschlüsse auf sich nehmen. Es han-
delt sich hier nicht um die Frage, ob für unsere Kolonien einige Millionen
mehr oder weniger bewilligt werden sollen. Es handelt sich, wie Ihnen
der Herr Vertreter des Generalstabs soeben überzeugend dargelegt hat, um
die Frage, ob wir unsere Kolonie behaupten wollen oder nicht. Es han-
delt sich, wie ich als verantwortlicher Leiter der Reichsgeschäfte hinzufüge,
um die Frage, ob wir unser Ansehen in der Welt, ob wir unsere Waffen-
ehre (lebhafter Widerspruch bei den Sozialdemokraten, lebhaftes Bravo
rechts) — ich wiederhole gegenüber ihrem Widerspruch, es handelt sich,
wie ich als verantwortlicher Leiter der Reichsgeschäfte hinzufüge, um die
Frage, ob wir unsere Waffenehre, ob wir unsere Stellung in der Welt,
ob wir unser Ansehen gefährden wollen, um eine verhältnismäßig gering-
fügige Summe zu ersparen, am Ende eines Feldzuges, der uns Hunderte
von Millionen gekostet hat. (Bravo rechts.) Wollen wir in einer Stunde
des Kleinmuts die Früchte jahrelanger, tapferer Anstrengungen gefährden?
Sollen die Opfer, die schweren Opfer an Gut und Blut, die wir für un-
sere Kolonien gebracht haben, den Kolonien und dem Vaterlande zum Segen
gereichen, oder sollen sie umsonst gebracht sein? Eine Regierung kann sich
nicht von Parteien und Parlament vorschreiben lassen, wieviel Truppen
sie für kriegerische Operationen braucht. (Widerspruch links. Sehr richtig!
rechts.) Wohin, meine Herren, soll es führen, wenn sich bei uns die Ge-
wohnheit einbürgerte, militärische Maßnahmen im Kriegszustande, deren
richtige Durchführung entscheidend ist für Leben und Gesundheit unserer
Truppen, für unsere Waffenehre, von denen unter Umständen Wohl und
Wehe und Zukunft des ganzen Landes abhängt, von Fraktionsbeschlüssen
oder Parteirücksichten abhängig zu machen. (Lebhaftes Bravo rechts.) Meine
Herren! Da draußen stehen unsere Soldaten, das sind Deutsche, die haben
gekämpft, die haben Anstrengungen erduldet, die sind im Begriff, den letzten