224 Das Deulsihe Reiqhh und seine einjeluen Glieder. (Dezember 13.)
Widerstand, die letzten Reste des Gegners niederzuringen. Sollen sie nun
etwa zurück, weil die Regierung aus Kleinmut, weil eine kleinmütige Re—
gierung aus Scheu vor parlamentarischen oder Parteirücksichten ihren Helden-
mut vor dem Feinde im Stich läßt? (Lebhaftes Bravo rechts.) Meine
Herren! Was haben andere Völker für Kolonialkriege geführt, Engländer,
Franzosen, Holländer, und haben nicht mit der Wimper gezuckt. Soll sich
das deutsche Volk kleiner zeiger, soll das deutsche Volk kleiner dastehen als
andere Völker? Das ist die Frage, auf welche die verbündeten Regierungen
eine Antwort wünschen, eine Antwort fordern, klipp und klar. (Sehr wahr!
rechts.) Wir können bedauern, meine Herren, daß der Aufstand aus-
gebrochen ist, daß er uns so viel Menschenleben, daß er uns so große
Summen gekostet hat, wir können das bedauern, aber zurück können wir
nicht, wir müssen durchhalten! Meine Herren! Man hat mir das Wort
in den Mund gelegt: „nur keine inneren Krisen“. Ich habe das alberne
Wort dementieren lassen, es kehrt immer wieder zurück. In Wirklichkeit
habe ich natürlich nie etwas derartiges gesagt. (Hört, hört! rechts.) Es
gibt Situationen, wo ein Zurückschrecken vor Krisen ein Mangel an Mut,
ein Mangel an Pflichtgefühl wäre. (Lebhaftes Bravo rechts und bei den
Nationalliberalen.) Wenn Sie wollen, haben Sie die Krisis! (Bravo
rechts.) Parteien können Forderungen annehmen oder ablehnen, denn sie
tragen keine Verantwortung (Ohol), sie tragen keine Verantwortung! Die
Regierung darf sich nicht vor Wünschen und Interessen einzelner Parteien
beugen, wenn ihre höchste Aufgabe, die nationale, in Frage steht. (Bravo
rechts.) Man hat mir ferner vor einigen Minuten das Gerücht zugetragen,
in dieser Frage schöbe ich nicht, sondern ich würde geschoben. Ich gäbe
nur Direktiven der obersten Stelle nach, der südafrikanische Guerillakrieg
sei eine Art militaristischer Sport. Meine Herren, das ist eine dreiste
Unwahrheit! Niemand drängt mich, niemand schiebt mich! Ich brauche
gar keine Direktiven, um zu erkennen, daß hier nationale Notwendigkeiten
vorliegen (Lebhafter Beifall rechts), und danach, lediglich danach zu ver-
fahren. Es handelt sich nicht im entferntesten um eine Frage des inneren
Regiments, es handelt sich nicht um Gegensätze des parlamentarischen und
des persönlichen Willens, es handelt sich um die vom Reichskanzler nach
gewissenhafter Prüfung vertretene Ueberzeugung der verbündeten Regie-
rungen. Es handelt sich um unsere ganze kolonialpolitische Stellung (Sehr
richtig rechts und bei den Nationalliberalen), um mehr als das, um unsere
Stellung in der Welt. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Glauben
Sie, meine Herren, daß so was keine Rückwirkung auf das Ausland hat?
Sehr richtig! rechts.) Was würde es für einen Eindruck machen im
Innern und nach außen, wenn die Regierung in einer solchen Lage, in
einer solchen Frage kapitulieren und nicht die Kraft in sich finden sollte,
ihre nationale Pflicht zu erfüllen? (Lebhafter Beifall rechts und links.)
Wir werden unsere Pflicht tun im Vertrauen auf das deutsche Volk.
(Stürmischer, anhaltender Beifall, Zischen bei den Sozialdemokraten.)
Hierauf folgt die namentliche Abstimmung. Zuerst wird der An-
trag Ablaß auf Ergänzung des Dispositivs zur vollen Forderung des
Nachtragsetats mit 175 gegen 171 Stimmen abgelehnt. Hierauf wird über
die unveränderte Vorlage ebenfalls namentlich abgestimmt. Das Ergebnis
ist die Ablehnung der Regierungsvorlage mit 177 gegen 168 Stimmen.
— Der Präsident erteilt dem Reichskanzler das Wort:
Reichskanzler Fürst v. Bülow: Ich habe dem Reichstag eine Kaiser-
liche Verordnung mitzuteilen. (Stürmischer Beifall rechts, bei den National-
liberalen und Sozialdemokraten, Händeklatschen links und auf sämtlichen
überfüllten Tribünen. Der Präsident fordert mit erregter Stimme die