Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

FDas Veeische Reich und seine einzelnen Elieder. (Dezember 15.—24.) 231 
15. Dezember. (Preußen.) Es wird gestattet, frisches und 
zubereitetes Schweinefleisch aus Dänemark, Schweden und Nor- 
wegen einzuführen. Ahnliche Maßregeln treffen Oldenburg und 
Hamburg. 
17. Dezember. (Braunschweig.) Nach den „Braunschweiger 
Neuesten Nachrichten“ weigert sich der Herzog von Cumberland, 
auf die Thronfolge in Hannover zu verzichten und verlangt die 
Sukzession in Braunschweig für seinen jüngsten Sohn, der auf 
Hannover verzichten will. 
19. Dezember. (Württemberg.) In den Landtagswahlen 
werden gewählt 21 Zentrumsmitglieder, 20 Volksparteiler, 12 Bauern- 
bündler, 11 Deutschparteiler, 11 Sozialisten. Der Landesproporz 
ist noch zu wählen. 
22. Dezember. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ schreibt 
über angebliche Pläne gegen das allgemeine Wahlrecht: 
„Wenn es vereinzelte rechtsstehende Organe gibt, die offen oder 
versteckt für eine Abänderung des Reichstagswahlrechts auf dem Wege des 
Staatsstreichs Propaganda machen, so hat doch die Regierung mit solchen 
Phantastereien nicht das allermindeste zu tun. Sie weist jede Gemeinschaft 
mit solchen Projekten auf das entschiedenste zurück, und es ist unehrlich 
im höchsten Grade, wenn z. B. der „Vorwärts“ auf Grund solcher, wie 
gesagt, durchaus vereinzelt gebliebenen und in keiner Weise ernst zu neh- 
menden Aeußerungen der Presse der Regierung oder auch maßgebenden 
Parteien des Reichstags Staatsstreichgelüste in die Schuhe schiebt. Wir 
meinen aber auch, die ganze Gruppierung der Parteien, wie sie sich nach 
und infolge der Auflösung des Reichstags vollzogen hat, muß an sich jeden 
Gedanken, als ob es der Regierung auf eine Schmälerung der Volksrechte, 
auf eine Beeinträchtigung der konstitutionellen Garantien ankomme, von 
vornherein ausschließen. Wenn, wie zu hoffen und zu wünschen, der 
bürgerliche Liberalismus in allen seinen Schattierungen, der sich national 
zuverlässig erwiesen, bei den bevorstehenden Neuwahlen dem Zentrum und 
vor allem der Sozialdemokratie Terrain abgewinnt, so werden dadurch 
die Bürgschaften für Aufrechterhaltung eines streng konstitutionellen Regi- 
ments sicherlich nicht geschwächt, sondern eher noch gestärkt, wie besonders 
auch die Sozialdemokratie zugeben müßte, die so oft in puncto Wahlrecht 
das Zentrum als unsicheren Kantonisten hinzustellen sich bemüht hat. Wir 
meinen aber überhaupt, eine Regierung, die den linksstehenden bürger- 
lichen Parteien mit größerem Vertrauen entgegenkommt als je zuvor, 
sollte gerade in diesem Moment, sofern man es mit ehrlichen Gegnern zu 
tun hätte, am wenigstest dem Verdacht von Umsturzgedanken und Staats- 
streichgelüsten ausgesetzt sein, wie sie von der gegnerischen Presse im Gefühl 
einer innerlich schwachen Position mit allem Aufwand einer künstlich ge- 
steigerten Phantasie an die Wand gemalt werden. Alle derartigen Aus- 
streuungen von beabsichtigten Wahlrechtsänderungen, sei es mit, sei es ohne 
Verlassen der Rechtsbasis, sind plumper Wahlschwindel und weiter nichts. 
24. Dezember. Der kommerzielle modus vivendi mit Spanien 
wird bis zum 30. Juni 1907 verlängert.
	        
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