Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 27.—31.) 17 
Abwanderung sei die kürzere Arbeitszeit und der höhere Lohn der In- 
dustrie; es sei ungerecht, den armen Gemeinden Lasten für Abgewanderte 
aufzulegen. Abg. Gamp (RP.) wünscht Einführung der obligatorischen 
Krankenversicherung auch für die landwirtschaftlichen Arbeiter. Die Löhne 
im Osten einschließlich der Naturalien seien mit Rücksicht auf die Differenz 
der Preise besser als im Westen. — Das Gesetz wird an eine Kommission 
verwiesen. 
27. Januar. Der Kaiser erläßt mehrere Bestimmungen zur 
Unterstützung seiner Arbeiter und Angestellten in Cadinen. 
27. Januar. (Preußen.) Ein kgl. Erlaß bestimmt, daß die 
Hälfte der Oberlehrer an den höheren Schulen zu Professoren 
charakterisiert werden und nach zwölfjähriger Schulzeit den persön- 
lichen Rang als Räte 4. Klasse erhalten können. 
29. Januar. (Hessen.) Ministerpräsident Minister des In- 
nern Rothe . — Geboren 2. Juli 1840, 1884 vortragender Rat, 
1898 Staatsminister. — Sein Nachfolger wird in beiden Funk- 
tionen der Justizminister Ewald. 
29. Januar. (Sachsen.) In der Zweiten Kammer erklärt 
Justizminister Dr. Otto, daß die verbündeten Regierungen sich dar- 
über geeinigt hätten, das Schwurgericht in seiner bisherigen Kom- 
petenz bestehen zu lassen und künftig auch die Berufung zuzulassen. 
29./31. Januar. (Berlin.) Ein Kongreß von Tabakarbeitern 
aller Branchen der Tabakindustrie spricht sich nach einigen Referaten 
sozialdemokratischer Abgeordneter scharf gegen die Tabaksteuer aus. 
Sie würde Lohnabzüge und Arbeitslosigkeit herbeiführen. 
30. Januar. Der Reichstag verweist eine Vorlage über 
den Versicherungsvertrag und die öffentlichen Versicherungsanstalten 
an eine Kommission. — Die meisten Redner haben ernste Bedenken 
dagegen. 
31. Januar. (Bayern.) Reichsrat. Debatte über Schiff- 
fahrtsabgaben. 
Prinz Ludwig erklärt, er sei ein prinzipieller Gegner jeglicher 
Schiffahrtsabgaben, auch auf künstlichen, geschweige denn auf natürlichen 
Wasserstraßen. Er habe die Anschauung, daß es nicht angehe, auf korri- 
gierten und kanalisierten Flüssen Abgaben zu erheben. Wenn Deutschland 
auf seinen Flüssen Abgaben erhebe, so würden solche bald auch auf außer- 
deutschen Flüssen zur Einführung kommen und dadurch wieder Zustände 
herbeigeführt werden, die erst im vorigen Jahrhundert beseitigt worden 
seien. Durch die Erhebung solcher Abgaben und die Erbauung der Eisen- 
bahn sei der Wasserverkehr fast völlig vernichtet worden. Gegen die Ein- 
führung von Schiffahrtsabgaben auf dem Rhein spreche auch insbesondere 
das Interesse der Stadt Ludwigshafen. Aus allen diesen Gründen wünsche 
er dringend, daß von solchen Abgaben auf die kanalisierten und korrigierten 
Flüsse, die ja dadurch ihres Charakters als natürliche Wasserstraßen nicht 
Europäischer Geschichtskalender. XLVII.                                               2
	        
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