250 Bie Merreichisch-ungerische Moenerie. (April 4. 8.)
präsident v. Gautsch: Die Anträge hätten ihren Ursprung in parteipoli-
tischen und parteitaktischen Absichten. Sie bezweckten die Fernhaltung der
Vertreter Galiziens von den Verhandlungen des Reichsrates. Die Re-
gierung, die an der Staatseinheit festhalte, müsse sich gegen jeden Versuch
einer Lockerung des Staatsgefüges unbedingt ablehnend verhalten. Sie
könne daher dem Verlangen, ein Gesetz über die Sonderstellung Galiziens
vorzulegen, unter keinen Umständen entsprechen. — Gegen den Antrag
sprechen klerikale, tschechische und ruthenische Abgeordnete; er sei ein An-
schlag gegen die Wahlreform und werde die Ruthenen den Polen aus-
liefern. Die Polen sind für den Antrag, um eine allgemeine Verfassungs-
revision herbeizuführen. — Die Anträge erhalten die einfache Mehrheit
und sind damit abgelehnt, da die Dringlichkeit nur durch Zweidrittelmehr-
heit beschlossen werden kann.
4. April. (Ungarn.) Das Amtsblatt veröffentlicht einen
königlichen Befehl, durch den die Ersatzreserve des Jahrganges 1904
der Honvedtruppen zur aktiven Dienstleistung einberufen wird.
Die außerordentliche Maßregel ist infolge der vom Parlamente
nicht bewilligten Rekrutierung notwendig geworden.
8. April. (Ungarn.) Ministerwechsel.
Nach mehrtägigen Verhandlungen in Wien tritt Ministerpräsident
Fejervary zurück und folgendes Kabinett wird gebildet: Dr. Alexander
Wekerle, Präsidium und Finanzen, Graf Julius Andrassy, Ministerium
des Innern, Graf Albert Apponyi, Kultus und Unterricht, Franz Kossuth,
Handel, Geza Polonyi, Justiz, Graf Alexander Zichy, Minister a latere,
Dr. Ignaz Daranyi, Ackerbau. — Das Kabinett hat sich nach dem „Wiener
Fremdenblatt“ zu folgenden Bedingungen verpflichten müssen: Die Aus-
schaltung der Armeefragen; Bewilligung des Budgets und des normalen
Rekrutenkontingents für 1905 und 1906; Bewilligung der von den De-
legationen votierten Militärkredite; Absolution für die Ministerien Tisza
und Fejervary; Ratifizierung der Handelsverträge; keinerlei Maßregelung
der neuen Beamten, respektive deren Entschädigung im Falle der Amo-
vierung; Wahl der Delegation und der Quotendeputation; nach Erledigung
der Staatsnotwendigkeiten sofortige Verhandlung der Wahlreform, die
mindestens so weit geht, wie der Kristoffysche Entwurf; mindestens drei
Mitglieder des neuen Kabinetts, darunter der Minister des Innern, werden
auf der 1867er Basis stehen.
Der König richtet folgendes Handschreiben an Fejervary: Lieber
Baron Fejervary! Ihrer Bitte entsprechend habe Ich Sie von Ihrer Stelle
Meines ungarischen Ministerpräsidenten enthoben. In dieser Ihrer unter
den schwierigsten Verhältnissen mit musterhafter Opferwilligkeit bekleideten
Stellung haben Sie, von der treuesten Anhänglichkeit an Meine Person,
wie auch vom reinsten Patriotismus geleitet, mit hingebendem Eifer aus-
gezeichnete Dienste geleistet. Ihre hervorragenden Dienste wurden noch
erhöht durch die selbstlose und erfolgreiche Tätigkeit, die Sie bei Verwirk-
lichung der friedlichen Entwirrung aus der bisherigen kritischen politischen.
Lage in Ungarn entfaltet haben. Für diese, sowie auch für Ihre um
Thron und Vaterland schon vorher durch eine lange Reihe von Jahren,
namentlich durch die großartige Entwicklung der Honvedtruppen erworbenen
großen Verdienste spreche Ich Ihnen innigen Dank aus und versichere Sie
Meiner besonderen Gnade, sowie Meiner aufrichtigen Zuneigung, mit der
Ich wie bisher so auch in Zukunft Ihnen unwandelbar gewogen bleibe.
Franz Joseph.
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