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April. In Ungarn wird das neue Kabinett im allgemeinen
mit Jubel begrüßt und als Sieg der Magyaren betrachtet, fast
allein Abg. Ugron sieht in den Bedingungen eine Kapitulation vor
der Krone. In Österreich erwarten viele Stimmen eine Ver-
schärfung des Gegensatzes zwischen beiden Reichshälften.
11. April. (Ungarn.) Ministerpräsident Wekerle hält in
der Versammlung der koalierten Parteien eine Programmrede:
Die große Verfassungskrisis habe Männer verschiedener Partei-
richtungen gezwungen, ein Kabinett zu bilden, um den konstitutionellen
Notstand zu beendigen. Die Regierung werde vom Abgeordnetenhause
Indemnität für die ohne verfassungsmäßige Bewilligung gemachten Aus-
gaben erbitten. Sie werde auch jene Teilbeträge der Militärkredite ver-
langen, welche in den Voranschlag von 1905/06 eingestellt, aber nicht an-
genommen worden seien. Die Regierung habe sich nicht verpflichtet, die
Erhöhung des Rekrutenkontingents zu verlangen, sie werde nur das nor-
male Kontingent beanspruchen. Die Handelsverträge, die durch Verord-
nung in Kraft gesetzt worden seien, würden dem Parlamente zur verfassungs-
mäßigen Genehmigung unterbreitet werden. Das vorbereitete Zoll= und
Handelsverhältnis mit Oesterreich werde, wie dies selbständiger Staaten
würdig sei, in der Form eines Handelsvertrages, nicht in der Form eines
Handelsbündnisses abgeschlossen werden. Die Regierung werde die Wahl-
reform einführen und hierauf den Reichstag auflösen. Nach den auf Grund
der Wahlreform vorgenommenen Wahlen werde die Regierung zurücktreten.
April. Das Telegramm des Deutschen Kaisers an den Grafen
Goluchowski (S. 91) wird lebhaft kommentiert und im allgemeinen
als Dokument der engen Verbindung beider Reiche aufgefaßt.
Einige Blätter sehen darin eine Demütigung Oesterreich-Ungarns,
was das „Fremdenblatt“ bestreitet.
22. April. (Ungarn.) Das Amtsblatt veröffentlicht die
Ernennung von 32 Obergespanen, welche an Stelle der enthobenen,
überwiegend von dem früheren Ministerpräsidenten Fejervary er-
nannten Obergespane an die Spitze der Verwaltung der Komitate
gestellt worden sind.
Ende April. (Cisleithanien.) Vergeblicher Versuch, das
Kabinett zu parlamentarisieren. Kabinettswechsel.
Ministerpräsident Frhr. v. Gautsch schlägt zur Erzielung einer Mehr-
heit für die Wahlreform, die Errichtung 24 neuer Mandate vor. Davon
erhalten die Deutschen 12, die Polen 10, die Tschechen 1, die Italiener 1.
Von den 12 deutschen Mandaten erhält Wien und Niederösterreich 6, je 1
die Deutschböhmen, Schlesien, die Landgemeinden Mährens, Linz, Gottschee
und die Bukowina. Dadurch erhalten die Slawen 241, die Deutschen mit
den Italienern 238 Mandate, die flawische Mehrheit bleibt erhalten, sinkt
aber von 5 auf 3 Mandate. — Gleichzeitig sucht er, um die Verständigung
zu erleichtern, anstatt der Beamten Parlamentarier zu Ministern zu be-
rufen. Sein Plan ist: Es treten vier Deutsche, zwei Tschechen und zwei
Polen aus den Reihen der Parlamentarier in das Kabinett. Als deutsche