Bie Aeerreicischungerische Menarie. (Mai 26. 28./30.) 255
es sich um die Schaffung eines Wahlprivilegs für die Deutschen. Die
Tschechen sähen sich gezwungen, so lange der Regierung als Gegner
gegenũberzustehen, da die wichtigsten Forderungen des tschechischen Volkes
ignoriert würden.
25. Mai. (Cisleithanien.) Das Abgeordnetenhaus nimmt
die Delegationswahlen vor.
25. Mai. (Wien.) Der Kaiser empfängt den Chef des preu-
Wh#ischen großen Generalstabs v. Moltke. — Eine ursprünglich ge-
plante größere Truppenübung in Bruck wird abgesagt, was in der
Presse auf politische Gründe zurückgeführt wird.
25. Mai. (Cisleithanien.) Ministerpräsident Prinz Hohen-
lohe schlägt ein Kompromiß für die Wahlreform vor:
Hiernach wird die Gesamtzahl der Abgeordneten gegenüber der
Gautschschen Vorlage um 40 vermehrt. Von diesen Mandaten fallen auf
Galizien 14, Niederösterreich 9., Böhmen 2 deutsche und 2 tschechische,
Mähren und Schlesien je 1 deutsches und 1 tschechisches, auf die Bukowina
je 1 deutsches, rumänisches und ruthenisches, Oberösterreich 2, Tirol je 1
deutsches und 1 italienisches und schließlich je 1 auf Salzburg und Triest;
letzteres ist ein italienisches. Verschiedene Vorschläge bezüglich Galiziens
betreffen eine Aenderung der Landgemeinden-, sowie der städtischen Man-
date und den Schutz der Minoritäten. Weitere Vorschläge beziehen sich
auf Abänderung des Paragraphen über die Art der Reichsratswahl und
der Stichwahlen, und endlich auf die Bestimmung, daß eine Abänderung
der Einteilung der Wahlbezirke nur bei Anwesenheit von mindestens der
Hälfte der Mitglieder des Hauses mit wenigstens zwei Drittel Majorität
beschlossen werden kann. Dieser letztere Vorschlag bezwecke nichts anderes
als die dauernde Sicherung friedlicher Verhältnisse.
28. Mai. (Ungarn.) Die ungarische Regierung wird vom
König ermächtigt, dem Abgeordnetenhause den autonomen Zolltarif
als ungarischen Zolltarif zu unterbreiten, während die österreichische
Regierung forderte, daß derselbe als gemeinsamer Zolltarif in
Kraft trete.
28. Mai. (Cisleithanien.) Ministerpräsident Prinz Hohen-
lohe tritt wegen der Gewährung des ungarischen Zolltarifs zurück.
W./30. Mai. (Cisleithanien.) Kabinettskrisis und Ab-
geordnetenhaus.
Infolge der Demission des Kabinetts sagt der Präsident Graf
Vetter die Sitzung für den 29. ab. (28. Mai.) — Am 29. versammeln
sich etwa 75 Abgeordnete der verschiedenen Parteien unter dem Vorsitze
des Abg. Prade (dt. Vp.) zu einer zwanglosen Besprechung, um gegen die
geschäftsordnungswidrige Absage der heutigen Sitzung zu protestieren.
Abg. Prade äußert sein Bedauern über den Rücktritt des Prinzen zu Hohen-
lohe, auf den große Hoffnungen gesetzt worden seien und der zum ersten-
mal den ungarischen Uebergriffen entgegengetreten sei. (Lebhafter Beifall.)
Die Versammlung beschließt, Prade zum Präsidium des Abgeordnetenhauses
zu entsenden, um es auf das Geschäftsordnungswidrige seines Vorgehens
aufmerksam zu machen und es aufzufordern, heute noch oder morgen vor-