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Belgien, Rußland und der Schweiz geschlossenen Handelsverträge bis zur
weiteren Verfügung in Kraft zu setzen, ebenso die mit Serbien und Bul-
garien getroffenen provisorischen Vereinbarungen. — Ministerpräsident
Wekerle legt sein Programm dar: Die großen nationalen Gedanken, die
die Oeffentlichkeit beherrschen, können wir in der Uebergangszeit nicht ver-
wirklichen. In erster Reihe wird die Regierung die Wahlreform auf der
Grundlage des allgemeinen Stimmrechtes durchführen. Sie wird ferner
darauf bedacht sein, die Selbstverwaltung in den Komitaten und Gemeinden
zu stärken. In volkswirtschaftlicher Beziehung wird u. a. eine Ergänzung
des Gesetzes zur Förderung der Industrie, sowie die Hebung des Exports
und eine Reorganisation der Staatsbahnen geplant. Die Auswanderung
soll durch Verschaffung von Arbeitsgelegenheit eingedämmt werden. In
finanzieller Hinsicht wird geplant die Einführung einer progressiven Per-
sonaleinkommensteuer. Ferner soll der Umlauf der Noten zu 10 und
20 Kronen verringert werden. Was das Verhältnis zu Oesterreich betrifft,
sollen Verhandlungen eingeleitet werden, um das Zollbündnis durch einen
Zollvertrag zu ersetzen. — Vertreter der Verfassungspartei, der Kossuth=
partei und der Volkspartei versprechen Unterstützung des Kabinetts.
Anfang Juni. In Niederösterreich werden wegen Lohn-
streitigkeiten 40000 Bauarbeiter ausgesperrt, Ende Juni wird durch
mehrere Tarifverträge unter Vermittlung der Statthalterei die
Einigkeit wiederhergestellt.
3. Juni. (Cisleithanien.) Folgendes Kabinett wird ge-
bildet:
Ministerpräsident: Frhr. v. Beck (Beamter), Inneres: Bienerth (Be-
amter), Ackerbau: Fürst Auersperg (Beamter), Justiz: Dr. Klein (Beamter),
Eisenbahnen: v. Derschatta (dt. Volkspartei), Unterricht: v. Narchet (dt.=
fortschr.), Finanzen: Konywski (Pole), Handel: Forscht (Tsch.), Prade deut-
scher, Dzieduszyki polnischer, Pacak tschechischer Landsmannminister.
5.6. Juni. (Ungarn.) Abgeordnetenhaus. Ex-lex-Zustand;
Handelspolitik. Nationalitätenfrage.
Am 5. genehmigt das Haus die Gesetzesvorlage betreffend das
Budgetprovisorium und betreffend die Bewilligung des Rekrutenkontingents.
Hiermit ist der Ex-lex-Zustand, der infolge der Verweigerung der Steuern
und der Rekruten eingetreten war, formell beendigt. — Am 6. genehmigt
es das Ermächtigungsgesetz, kraft dessen die Regierung die Handelsverträge
mit Deutschland, Italien, Belgien, Rußland und mit der Schweiz mit
Rückwirkung bis zum März 1906 auf dem Verordnungswege in Kraft setzt
und das die Regierung ferner autorisiert, betreffend den Handelsverkehr
mit Serbien, Bulgarien und Montenegro provisorische Verfügungen zu
treffen. In der Debatte opponieren die Nationalitäten, die von allen
Ausschüssen ausgeschlossen worden waren, obgleich sie 25 Mann stark waren.
Sie sollen aber nicht als Partei anerkannt werden. Infolge ihrer Oppo-
sition erklärt Ministerpräsident Wekerle: Das Kabinett legt das Haupt-
gewicht auf die Unparteilichkeit der Verwaltung, was besonders den Natio-
nalitäten, vielleicht nur ihnen zugute kommt. Die großen Staatsmänner
Ungarns, Deak, Kossuth, Eötvös, Andrassy, haben stets in der Nationalitäten-
frage einen weitgehenden liberalen Standpunkt eingenommen. Die Regie-
rung hat sich auf den Standpunkt dieser Männer gestellt, ihre Loyalität
darf nicht angezweifelt werden. Es ist unbillig, zu behaupten, daß jetzt
Europäischer Geschichtskalender. II VII. 17