268 Die öfterreithisch·nngarische Mouarchie. (Juni 21./26.)
land Oesterreich zum Pionier seiner imperialistischen Pläne mache. Del.
Abrahamowitsch ist für den Dreibund, bedauert aber, daß diese vom
Polenklub mit Selbstverleugnung eingenommene Stellung zum Dreibund
stets durch das Verhalten der preußischen Regierung gegenüber den Polen
in Preußen und durch ihr Vorgehen gegenüber den österreichischen Polen,
das den Handelsverträgen und der gewährleisteten Freizügigkeit wider-
spreche, erschwert werde; schließlich drückt Redner dem Minister seine An-
erkennung für seine verdienstvolle Leitung der auswärtigen Politik aus.
Del. Graf Sternberg (Tsch.): Die Krone und speziell der jetzige Kaiser
hätten die traurige auswärtige Lage und die Konzessionen an Ungarn ver-
schuldet; Oesterreich sei ein „Reich der Lüge“, in welchem es nur darauf
ankomme, die Interessen der Dynastie zu schützen, gleichviel ob Oesterreich
darob zugrunde gehe. Del. Kramarsch: Das Bündnis mit Deutschland
sei überflüssig, wenn nicht gar schädlich. Für die Politik Oesterreich-Ungarns
genüge ein gutes Einvernehmen mit Rußland und Italien. Sollte es aber
zu einer Erneuerung des Bündnisvertrages mit Deutschland kommen, so
müßten die Bündnispflichten Oesterreich-Ungarns auf ganz neue Grund-
lagen gestellt werden. Um mit den Nachbarn in Frieden zu leben, brauche
Oesterreich-Ungarn den Dreibund nicht, der sich heute nur als eine ehr-
würdige Reliquie aus alter Zeit darstelle. Er werde, weil die gerechten
Wünsche der Tschechen nicht befriedigt würden, gegen das Budget stimmen.
Del. v. Bärnreither (deutsch. Großgrundbes.): Die Gewähr und Recht-
fertigung des Bündnisses mit Deutschland liege in dem dreißigjährigen
Frieden, den diese Allianz Europa und Oesterreich-Ungarn gesichert habe.
Außerdem aber sei auch der Dreibund den Deutschen Oesterreichs eine
Herzenssache. Die Friedenstendenz des Bündnisses sei bei der Marokko-
konferenz wiederum klar zum Ausdruck gekommen. Del. Stein t(alld.) sehnt
einen Anschluß der Deutschen an das Deutsche Reich herbei; die Los-von-
Rom-Bewegung solle den Anschluß vorbereiten. Dabei brauchten die Habs-
burger nicht verjagt zu werden, sondern es sei ein Zustand wie vor 1866
denkbar. Wir sind der Zuversicht, daß die kommende Generation den
Freudentag erleben wird, wo wir Deutsche wieder geeint sind unter dem
Szepter eines glorreichen Hohenzollernregenten, daß der herrliche Kaiser
Wilhelm II. oder wenigstens sein Nachfolger im Sinne des Gelöbnisses,
mit dem er die Regierung angetreten hat, nicht vergessen wird, ein Mehrer
des Reiches zu sein. Del. Fürst Schönburg (kathol.) polemisiert scharf
gegen die alldeutschen Pläne: Wenn je die deutschen Teile Oesterreichs
mit Deutschland vereinigt würden, so würde dies ein Unglück für das
Deutsche Reich werden. Die Folge einer solchen Vereinigung wäre wahr-
scheinlich ein blutiger Krieg zwischen allen Slawen und Germanen. Ganz
abgesehen von Oesterreich würde für das Deutsche Reich eine Angliederung
der deutschen Teile Oesterreichs auch deshalb zum Unglück werden, weil
die innere Stärke des Deutschen Reiches in der Hegemonie einer Dynastie,
in der Präponderanz des starken Norddeutschen über die weicheren Süd-
deutschen, welch letztere dann durch die österreichischen Deutschen verstärkt
würden, und in dem Gleichgewichte der Konfessionen zueinander besteht.
Was die Alldeutschen wünschen, werde schon deshalb nicht in Erfüllung
gehen, weil die Ideen der Alldeutschen im Deutschen Reiche nur geringe
Verbreitung gefunden haben und insbesondere bei jenen, in deren Händen
die deutsche Politik liege, keinen Anklang finden. Er und seine engeren
Gesinnungsgenossen würden nur unter der Voraussetzung für das Kriegs-
budget stimmen, daß die gemeinsame Armee, wie bisher, ein einheitliches
Ganzes bilden soll und daß die Führung, Leitung und Organisierung der
gemeinsamen Armee ausschließlich der Krone vorbehalten bleibt.