Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

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25./28. Juni. (Wien.) Die ungarische Delegation debattiert 
über die auswärtige Politik. 
Mehrere Redner der Linken und ein kroatischer Abgeordneter tadeln 
die Politik Goluchowskis, der Ungarn durch seine Verbindung mit Deutsch- 
land in Welthändel verwickle, die Balkanvölker reize und Ungarn durch 
Deutschland auf dem Balkan verdrängen lasse. Ferner verlangen mehrere 
Delegierte Goluchowskis Rücktritt, weil er sich widerrechtlich in die inneren 
Verhältnisse Ungarns eingemischt habe. Ministerpräsident Wekerle kon- 
statiert, daß in der Delegation bezüglich der beiden Kardinalpunkte der aus- 
wärtigen Politik, nämlich des Festhaltens am Dreibunde, der einen durchaus 
defensiven Charakter trage, und der Forderung der freien Entwicklung der 
Balkanstaaten, kaum eine Meinungsverschiedenheit bestehe. — Nachdem noch 
Finanzminister Burian die Politik Goluchowskis verteidigt hat, wird das 
Budget des Auswärtigen gegen 2 serbisch-kroatische Stimmen genehmigt. 
27. Juni. (Cisleithanien.) Das Abgeordnetenhaus be- 
willigt ein sechsmonatiges Budgetprovisorium, um den budgetlosen 
Zustand zu beenden. 
Juni. Juli. (Cisleithanien.) Prüfung der Körberschen 
Geschäftsführung durch den Budgetausschuß. 
Der Budgetausschuß tadelt, daß für die Hafenbauten von Triest zu 
hohe Voranschläge gemacht worden seien, und daß Ministerpräsident v. Körber 
den Bau ohne parlamentarische Genehmigung begonnen habe. Infolge- 
dessen wird beschlossen, die früheren Minister v. Körber, Böhm v. Bawerk 
und Frhr. v. Call einzuladen, im Budgetausschuß zu erscheinen, um auf 
gewisse Fragen betreffs der Hafenbauten in Triest Auskunft zu erteilen. 
(20. Juni). — Am 4. Juli führen die drei Vorgeladenen aus, daß die 
damalige Regierung unter dem Drucke der notwendigen Sicherstellung der 
Hafenbauten in durchaus korrekter und gesetzmäßiger Weise vorgegangen 
sei, daß ferner die abgeschlossenen Verträge für den Staat in finanzieller 
Hinsicht günstig gewesen seien und weder in formaler noch materieller Hin- 
sicht irgendwelche Gesetzesverletzung vorliege. Am 10. genehmigt der Aus- 
schuß die Hafenbauten und beschließt, daß die Vergebung der Triester 
Hafenbauten ohne vorherige parlamentarische Bewilligung mit dem ver- 
fassungsmäßigen Budgetrechte und der parlamentarischen Staatsschulden- 
kontrolle unvereinbar sei. Ferner wird über das Vorgehen der Regierung 
hinsichtlich der Vertragsabschlüsse und über das damit zusammenhängende 
finanzielle Gebaren das tiefste Bedauern ausgesprochen und gegen jede 
Wiederholung eines derartigen Vorgehens bei künftigen Staatsbauten ent- 
schiedene Verwahrung eingelegt. 
2. Juli. (Wien.) Heeresfragen in der österreichischen Dele- 
gation. 
Die Delegierten Graf Schönborn (kons.), Schustersitsch (Tsch.), 
Tollinger fordern, daß der Kriegsminister die Einheit der Armee wahre 
und keine Konzessionen mehr an Ungarn mache. Kriegsminister v. Pitreich 
erwidert, daß er nach wie vor auf der 67er Basis stehe, und daß die maß- 
gebenden Personen Mittel und Wege finden würden, die zu einem gedeih- 
lichen Zusammenleben beider Staaten führten. Allen Idealen der die 
Monarchie bewohnenden Völker könne nicht Rechnung getragen werden; 
aber ein auskömmliches Verhältnis unter dem Schutze des Ganzen, das 
ihnen ermögliche, ihre Kraft zu entwickeln, müsse gefunden werden. Er,
	        
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