Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

Vie ästerreichisch·nugarische Monarchie. (Sept. 23.—Okt. 12.) 277 
hängig von Oesterreich gesetzliche Entscheidungen zu treffen. Oesterreich 
verlangt: Erhöhung der ungarischen Quote, Feststellung eines Schlüssels, 
nach welchem künftig die Quote ohne weiteres berechnet werden kann, ohne 
gegenseitige Verhandlungen, Aufteilung der gemeinsamen Zolleinnahmen 
nicht nach dem Quotenverhältnis, sondern je nach der Belastung der beiden 
Reichshälften durch die Zölle, gleichlautende klare Textierung der Verein- 
barungen, schiedsgerichtliche Entscheidung im Falle von Streitigkeiten, längere 
Dauer des Ausgleichs. 
23. September. (Prag.) Die Parteileitung der tschechischen 
Sozialdemokratie lehnt ein Aufgehen in eine allgemeine Organi- 
sation ohne Berücksichtigung der nationalen und lokalen Verschieden- 
heiten ab. 
5. Oktober. (Cisleithanien.) Abgeordnetenhaus. Vieh- 
Aus= und Einfuhr. 
Ein Dringlichkeitsantrag fordert die Regierung auf, das Verbot 
der Vieheinfuhr aus den Balkanstaaten und Rußland aufrecht zu erhalten 
und das Ansinnen, ein Verbot betreffend die Viehausfuhr nach Deutschland 
zu erlassen, ohne weiteres zurückzuweisen. Landwirtschaftsminister Fürst 
Auersperg: Mehrere Städte seien tatsächlich an die Regierung mit dem 
Ansinnen herangetreten, daß das Vieheinfuhrverbot gegen Rumänien und 
Rußland aufzuheben und die Viehausfuhr namentlich nach Deutschland zu 
verbieten sei. Von einem Fleisch-- und Viehmangel im allgemeinen könne 
keine Rede sein. Im Gegenteil werde eine größere Zufuhr an Rindern 
demnächst erwartet. Auch sei die Schweinezufuhr günstig. Es wäre aus 
veterinärpolizeilichen Rücksichten äußerst bedenklich, zur Ergänzung des 
zeitweilig verminderten Rinderauftriebes die Grenzen jener Länder zu 
öffnen, welche zur Vermeidung der Seucheneinschleppung Oesterreich zu 
sperren genötigt sei. Zu einem Viehausfuhrverbot sei kein Anlaß, zumal 
bei abnormen Preisen der Viehexport ohnehin aufhöre. Es gebe auch kein 
gesetzliches Mittel, um aus Approvisionierungsrücksichten die Viehausfuhr 
zu verhindern. Abgesehen hiervon sei auch nicht daran zu denken, die 
Ausfuhr eines der wichtigsten Exportartikel Oesterreichs, dessen Export- 
fähigkeit die Regierung bei den Handelsvertragsverhandlungen tunlichst zu 
schützen bestrebt gewesen sei, zu behindern. 
6. Oktober. (Cisleithanien.) Der Wahlreformausschuß lehnt 
einen Antrag der Konservativen auf Einführung des Pluralitäts-- 
wahlrechts mit 27 gegen 19 Stimmen ab. Der Ministerpräsident 
hatte sich aus Gründen der Gerechtigkeit gegen den Antrag erklärt. 
Oktober. Rücktritt des Grafen Goluchowski. 
Nach Zeitungsnachrichten will der Minister des Auswärtigen Graf 
Goluchowski Anfang Oktober den Abschied nehmen, weil die Magyaren 
mit einem Mißtrauensvotum in den Delegationen drohen. Ministerpräsident 
Wekerle soll sich für die Bewilligung des Budgets des Auswärtigen ver- 
bürgt haben, so daß Goluchowski die Demission aufgibt. — Am 22. tritt 
Goluchowski zurück, sein Nachfolger wird der Botschafter in Petersburg 
Frhr. v. Aehrenthal. 
12. Oktober. (Cisleithanien.) Abgeordnetenhaus. Deutsche 
Sprache. 
Ein alldeutscher Dringlichkeitsantrag, in dem die Genehmigung des 
 
	        
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