278 Die öfterreihhishinngarishe Moserie. (Oktober 12. 24.)
bereits fünfmal vom niederösterreichischen Landtage angenommenen Gesetz-
entwurfes über die ausschließliche Geltung der deutschen Sprache als Unter-
richtssprache an den Volks- und Bürgerschulen Niederösterreichs dringend
gefordert wird, wird abgelehnt. Im Laufe der Erörterung erklärt der
Unterrichtsminister Dr. Narchet, der Gesetzentwurf sei dem Monarchen zur
Entschließung vorgelegt worden, habe jedoch nach dem Antrage der Re-
gierung die Genehmigung nicht erhalten, weil er dem Reichsvolksschul-
gesetze widerspreche.
12. Oktober. (Ungarn.) Förderung der Industrie.
Eine Gesetzesvorlage ermächtigt die Regierung, neugegründeten In-
dustrieunternehmungen Befreiung von der Gewerbesteuer und anderen Ge-
bühren für 15 Jahre zu gewähren. Ferner können auf Grund des Ent-
wurfes solchen Industrieanlagen Subventionen in einer Gesamthöhe von
jährlich 20 Millionen Kronen gegeben werden. Schließlich soll diesen
Industrien eine Bevorzugung bei Lieferungen für Staats- und Gemeinde-
bedürfnisse eingeräumt werden.
Oktober. (Cisleithanien.) Wahlreformausschuß. Einigung.
Die Deutschen fordern, daß das neue Wahlgesetz künftig nur durch
eine Zweidrittelmehrheit geändert werden könne. Sie wollen dadurch ihren
gegenwärtigen Besitzstand sichern, nachdem sie das Zugeständnis einer
slawischen Mehrheit gemacht haben. Die Tschechen opponieren heftig, eine
solche Bestimmung sei eine Demütigung der Tschechen. Die Regierung
schlägt auf 18 Jahre eine Zweidrittelmehrheit, dann eine Dreifünftelmehr-
heit vor.
Am 25. Oktober genehmigt der Ausschuß mit 32 gegen 12 Stimmen
einen Antrag Geßmann schristl. soz.), wonach eine Aenderung der Wahl-
kreiseinteilung bei Anwesenheit von mindestens 343 Abgeordneten beschlossen
werden kann. In diese Zahl sind die parlamentarischen Kabinettsmitglieder
sowie das Präsidium und die Schriftführer nicht einbegriffen. Außerdem
muß bei Abänderung einzelner Wahlkreise wenigstens die Hälfte der Ab-
geordneten des Kronlands anwesend sein, in dem der Wahlkreis liegt.
Am 29. genehmigt der Ausschuß die gesamte Vorlage. Danach be-
trägt die Zahl der Mandate 516, davon fallen auf Böhmen 130, Galizien
106, Niederösterreich 64, Mähren 49, Steiermark 30, Tirol 25, Ober-
österreich 22, Schlesien 15, Bukowina 14, Krain 12, Dalmatien 11, Salz-
burg 7, Wien 6, Istrien 6, Görz und Gradiska 6, Triest mit Gebiet 5,
Vorarlberg 4 Mandate. — Es wird gewählt nach allgemeinem gleichen
und direkten Stimmrecht; Bedingung ist einjährige Seßhaftigkeit; die ein-
zelnen Kronländer haben das Recht, eine Wahlpflicht einzuführen.
24. Oktober. Der Kriegsminister Frhr. v. Pietreich tritt zurück.
Sein Nachfolger wird der österreichische Landesverteidigungsminister
Frhr. v. Schönaich.
24. Oktober. (Cisleithanien.) Abgeordnetenhaus. Debatte
über den Rücktritt Goluchowskis.
Auf eine Interpellation, ob die österreichische Regierung beim Rück-
tritt Goluchowskis ihren Einfluß geltend gemacht habe, oder ob der Rück-
tritt allein auf den Wunsch der Mehrheit des ungarischen Reichstags er-
folgt sei, erwidert Ministerpräsident Frhr. v. Beck: Ich möchte, um den
mißverständlichen Aeußerungen in der Oeffentlichkeit und in der Begrün-
dung einer der Interpellationen zu begegnen, vor allem feststellen, daß