Pie Aerreichisch-ungarische Monarchie. (Okt. 25.—Nov. 21.) 279
der Minister des Aeußern seine Demission in freier Entschließung und aus-
schließlich auf Grund seiner Beurteilung und Abschätzung der in Betracht
kommenden Verhältnisse gegeben hat und daß dabei keine Meinungs-
verschiedenheiten zwischen den beiden Regierungen und dem Ministerium
des Aeußern in einer dem Gebiete der gemeinsamen Angelegenheiten an-
gehörigen Frage im Spiele waren. Die österreichische Regierung war in
voller Kenntnis aller Begleitumstände. Sie war auch in der Lage, an
maßgebender Stelle ihre Anschauung darzulegen und ihren Standpunkt
genau so zu vertreten, wie die ungarische Regierung. Die Regierung hält
es für ihre Pflicht, in allen gemeinsamen Angelegenheiten ihren Einfluß
sachlich und zeitig zur Geltung zu bringen und wird in gleicher Weise
auch in Zukunft verfahren. (Zwischenrufe.) Die internationale Politik
darf keine Ausnahme machen und kann nur in vollem Einverständnis mit
der österreichischen Regierung geführt werden. Ich vermag schon heute
das Haus zu versichern, daß trotz des Personenwechsels unsere auswärtige
Politik keine neue Richtung einschlagen wird. Wir werden nach wie vor
eine Friedensmonarchie sein, die ihre wichtigste Aufgabe darin erblickt,
durch Förderung aller Friedensbestrebungen den materiellen und kulturellen
Interessen, die unsere Zeit bewegen, Spielraum zu voller Entfaltung zu
gewähren. Wenn auch schon aus diesem Grunde der Dreibund — diese
vornehmste Bürgschaft des europäischen Friedens — die auch fernerhin
tragende Säule unserer Politik sein wird, so werden wir bestrebt sein, doch
noch weitere Friedensgarantien durch die Pfflege freundschaftlicher Be-
ziehungen zu anderen Mächten zu schaffen, insbesondere auch zu den Balkan-
staaten. Allerdings muß erwartet werden, daß in diesen Staaten das
gewiß berechtigte Streben nach Förderung der eigenen Wohlfahrt auch zur
vollen Würdigung unserer Interessen führen wird.
25. Oktober. (Ofen-Pest.) Großer Streik der Straßen-
bahner.
26. Oktober. (Cisleithanien.) Das Abgeordnetenhaus ge-
nehmigt die Verstaatlichung der Nordbahn.
27. Oktober. (Ungarn.) Die Gebeine des im Jahre 1707
geächteten Rakoczy und anderer Verbannter treffen aus Konstan-
tinopel in Pest ein und werden feierlich beigesetzt. Ein besonderes
Gesetz hebt die Achtung auf.
7. November. (Cisleithanien.) Das Abgeordnetenhaus
genehmigt nach stürmischer Debatte gegen Alldeutsche und Tschechisch-
Radikale mit 227 gegen 46 Stimmen einen Dringlichkeitsantrag
Geßmann, die Wahlreformvorlage sofort zu beraten.
8. November. (Cisleithanien.) Im Abgeordnetenhause
begründet Ministerpräsident Frhr. v. Beck die Wahlreform und for-
dert besonders den Großgrundbesitz auf, für das Gesetz zu stimmen.
21. November. (Ungarn.) Abgeordnetenhaus. Kritik Fejer-
varys, Verzicht auf Anklage.
Der Justizausschuß des Abgeordnetenhauses verhandelt die Peti-
tionen bezüglich der Versetzung des Kabinetts Fejervary in den Anklage-
zustand. Justizminister Polonyi: Die gegenwärtige Regierung sei unter