Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

296 Grofbritannien. (April Ende. Mai 7.) 
werden. Nach Abzug für weitere Aufwendungen für Volksunterricht, das 
Postwesen und unvorhergesehene Vorkommnisse wird ein endgültiger Ueber- 
schuß von 2 Millionen Pfund Sterling verbleiben. 
Ende April. Ein großer Teil der englischen Presse behauptet, 
daß Deutschland die Pforte zum Widerstand in der Akabafrage 
anreize. Am 1. Mai dementiert das Bureau Reuter diese Nachricht. 
7. Mai. (Unterhaus.) Staatssekretär des Auswärtigen 
Grey schildert den Streitfall mit der Pforte über Akaba: 
Die kritische Note verlangt von der Pforte die Zustimmung zur 
Festsetzung der Grenzlinien zwischen El Rafel und dem oberen Ende des 
Golfes von Akaba durch Großbritannien und die Türkei auf der Basis 
der Depesche des Großvesiers an den Khedive vom 8. April 1892 und die 
Zurückziehung der türkischen Truppen während der Feststellung. Der Her- 
gang des Streites bis zum heutigen Stande der Angelegenheit ist folgender: 
Zu Beginn des Jahres wurden egyptische Truppen entsandt, um gewisse 
Punkte auf der Halbinsel Sinai einschließlich Tabah zu besetzen. Diese 
fanden aber Tabah bereits von türkischen Truppen besetzt. Die englische 
Regierung protestierte hierauf gegen die Besetzung von Tabah, eines Platzes, 
der fraglos auf der Halbinsel gelegen sei, und wies darauf hin, daß, wenn 
ein Zweifel über die Grenzlinie bestände, die gemeinsame Festsetzung durch 
eine Kommission die beste Lösung der Frage sein würde. Lord Cromer 
hat dann unter dem 13. Februar berichtet, daß der türkische Kommandant 
von Akaba die Zurückziehung der egyptischen Truppen von der Insel 
Farum im nördlichen Teile des Golfes von Akaba ablehne. Darauf er- 
hielt ein englisches Kriegsschiff Befehl, nach Farum zu gehen, um den 
dortigen egyptischen Posten zu schützen. Nach verschiedenen Vorstellungen 
wurden zwei Offiziere von Konstantinopel nach Egypten geschickt, um die 
Sache zu untersuchen. Man hoffte, daß sie die Angelegenheit besprechen 
oder bei einer gemeinsamen Grenzkommission mitwirken sollten, aber sie 
verließen Kairo wieder, ohne mit dem Khedive oder Lord Cromer in Ver- 
bindung getreten zu sein. Am 31. März machte der türkische Botschafter 
eine Mitteilung des Inhaltes, daß, da Tabah zu Akaba gehöre, gegen die 
Niederlassung türkischer Truppen dort kein Widerspruch erhoben werden 
könne und es deshalb für unnötig erachtet würde, eine Untersuchung zu 
veranstalten. Der Sultan ermächtigte dann den Oberkommissar Mukhtar 
Pascha, mit der egyptischen Regierung zu unterhandeln, und auf sein 
eigenes Ersuchen wurden die Unterhandlungen nach Kairo verlegt. Mukhtar 
Pascha forderte in einer Unterredung mit dem Khedive, daß die Sinai- 
grenze von El Rafel nach Suez und von Suez nach Akaba gehen solle. 
Der Khedive regte an, daß die Linie von El Rafel nach Akaba gehen und 
dabei die Küste drei Meilen westlich von Port Akaba erreichen solle und 
daß der noch übrige Teil der Grenzlinie durch sachverständige Landmesser 
abgesteckt werden solle. Die Antwort des Sultans ging dahin, daß der 
Golf von Akaba und die Halbinsel Sinai außerhalb des in dem kaiser- 
lichen Firmans bezeichneten Gebiete lägen, daß sich das Telegramm vom 
Z. April 1892 nur auf die westliche Seite von Sinai beziehe und daß die 
Auslegung des Telegramms eine Angelegenheit sei, welche nur die otto- 
manische Regierung angehe. Gleichzeitig wurde die Hoffnung ausgesprochen, 
daß keine Gelegenheit zur Einmischung werde geboten werden. Daraufhin 
erging unser Ersuchen an die Pforte, um eine zustimmende Antwort inner- 
halb zehn Tagen. — Der Umfang der Forderungen der Pforte sowie Ton 
und Charakter der türkischen Mitteilung an den Khediven hat es unmög-
	        
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