Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

314 Frankreich. (März Ende— April 12.) 
Ende März. (Toulon.) Ausständige, Anarchisten und Anti- 
militaristen veranstalten Kundgebungen, die zu blutigen Zusammen- 
stößen mit Polizei und Militär führen. 
März. April. Mehrere Offiziere, die der Requisition der 
Zivilbehörden bei der Durchführung der Inventaraufnahme nicht 
Folge geleistet hatten, werden vom Kriegsgericht freigesprochen. 
3. April. (Kammer.) Interpellation über das Gruben- 
unglück. 
Nachdem mehrere Redner die Gesellschaft und die Ingenieure heftig 
angegriffen haben, erwidert Minister der öffentlichen Arbeiten Barthoun, 
man müsse das Ergebnis der Untersuchung abwarten, bevor man ein end- 
gültiges Urteil über die Angelegenheit abgebe. Die Delegierten der Gruben- 
arbeiter seien an der Untersuchung beteiligt. Die staatlichen, mit der Kon- 
trolle betrauten Ingenieure hätten seit langer Zeit die Gesellschaft auf die 
Unzulänglichkeit ihres Materials aufmerksam gemacht. Das Gesetz von 
1810 gebe der Regierung wohl das Recht, für die Sicherheit der Arbeiter 
zu sorgen, aber es enthalte keine Bestimmungen über die Gesundheitspflege 
und Hygiene der Arbeiter. Das hierauf bezügliche neue Gesetz sei von der 
Kammer 1904 beschlossen worden, er, der Minister, werde die schleunige 
Zustimmung des Senats hierzu verlangen. Das Grubenunglück habe ge- 
zeigt, daß ein solches Gesetz notwendig sei. Es seien Irrtümer begangen 
worden, aber man dürfe die Gesellschaft nicht beschuldigen, Ueberlebende 
geopfert zu haben, um die Gruben zu retten. Dr. Chantemesse und Dr. 
Calmette hätten erklärt, es könne keine Ueberlebenden mehr in dem Berg- 
werke geben. Zwei Väter, die ihre Söhne suchen wollten, hätten dabei 
auf dem Grunde des Bergwerks ihren Tod gefunden. (Bewegung.) Das 
öffentliche Rechtsbewußtsein könne beruhigt sein. Die Untersuchungen würden 
unparteiisch durchgeführt werden. — Die Kammer beschließt einstimmig ein 
Vertrauensvotum. 
11./16. April. (Paris.) Ausstand der Briefträger. Drei- 
hundert werden entlassen. 
12. April. (Kammer.) Erklärung der Regierung über die 
Marokkofrage. 
In der Verhandlung über die außerordentlichen Kredite für die 
Delegierten in Algeciras gibt Minister des Auswärtigen Bourgcois eine 
Erklärung ab, worin es heißt: Die günstige Art und Weise, mit der die 
Erklärung der Regierung am 16. Dezember 1905 von der Kammer auf- 
genommen worden war, trug durch die moralische Kraft, die sie der Re- 
gierung verlieh, sehr viel zu dem günstigen Ausgang der Verhandlungen 
in Algeciras bei. Bourgeois erinnert an die durch Rouvier auseinander- 
gesetzten Bedingungen, unter denen Frankreich zur Konferenz gegangen sei, 
gemäß den Uebereinkommen vom 8. Juli und vom 28. September 1905. 
Gleich bei der ersten Sitzung machte der Herzog von Almodovar den Vor- 
schlag, folgende drei Punkte als unbedingt feststehend von der Diskussion 
auszuschließen: die Souveränität des Sultans von Marokko, die Integrität 
seines Reiches und die Handelsfreiheit. Es waren dieses dieselben Ge- 
danken, die wir formulierten, und der Delegierte Frankreichs beeilte sich, 
dieses zu erklären. Auf seinen Antrag, der übrigens auch von den De- 
legierten Deutschlands unterstützt wurde, sind diese drei durch den Herzog
	        
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