Ilalien. (April 7.) 335
Hafen im Mittelmeer erwerben zu wollen. Es wird auch behauptet,
daß Deutschland eine Konferenz über Abesfinien berufen wolle, um
die Nachfolge Meneliks zu regeln.
7. April bis 23. Mai. (Rom.) Tagung des 6. Weltpost-
kongresses.
7. April. Die Kammer bewilligt einige Maßregeln zu-
gunsten Kalabriens zur Hebung der durch das vorjährige Erdbeben
geschaffenen Notlage.
April. Ausbruch des Vesuv.
Am 4. beginnt der Ausbruch, der mit einigen Unterbrechungen bis
Mitte des Monats dauert. Verschüttet werden Boscotrecase, Oliveto und
mehrere andere Ortschaften; in Neapel fällt starker Aschenregen. Mehrere
Hundert Menschen kommen um, viele Tausende sind obdachlos. Das
Königspaar besucht die Unglücksstätten (9. April). — Von allen Ländern
laufen Beileidskundgebungen und Spenden ein. Es wird viel bemerkt,
daß vom deutschen Kaiser kein Beileidstelegramm eingegangen ist und daß
die deutschen Spenden Fering sind. Mitte April überreicht der deutsche
Botschafter den Ausdruck des Beileids des Kaisers und der Nation.
. April. Preßstimmen über das Verhältnis zu Deutschland,
OÖsterreich-Ungarn und Frankreich:
„Corriere della Serra“: „Man irrt nicht, wenn man in dem Tele-
gramm Kaiser Wilhelms an Goluchowski eine der Kundgebungen gegen-
über Italien erblickt, deren Reihe Kaiser Wilhelm einleitete, als er bei
Loubets Ankunft plötzlich seine italienische Reise unterbrach und in Deutsch-
land dann eine drohende Rede hielt. Wir dürfen nicht übertreiben, aber
uns auch keiner Täuschung hingeben und uns womöglich auf noch ernstere
Kundgebungen gefaßt machen. Das Telegramm, worin der Kaiser Oester-
reich seine Gegendienste in Aussicht stellt, bezieht sich zweifellos auf das
Adriatische Meer, das uns so viele Sorgen macht. Es ist also Zeit, daß
in Italien Volk und Regierung eingehend und ernstlich ihr Gewissen
prüfen. Denn die Zukunftsaussichten sind nicht rosig, und die Pflichten
unserer verantwortlichen Staatsleiter wachsen ins ungemessene."
„Tribuna“: „Die Bedenklichkeit des in Berlin und Wien ange-
schlagenen Tones springt in die Augen. Betroffen und voll Schmerz über
die unerklärliche und ungerechtfertigte Sprache der Presse der beiden ver-
bündeten Länder, müßten wir an das gegenwärtige Ministerium die Frage
richten, was geschehen ist und geschieht, unsere äußere Politik auf die Bahn
zurückzuführen, wo das Ministerium Giolitti-Tittoni sie gelassen hatte.“
Abg. Barzileri im Pariser „Matin“: „Deutschland läßt uns das
Verbrechen unseres Einvernehmens mit Frankreich und England büßen,
indem es uns den amtlichen Ausdruck seines Mitgefühls anläßlich des
Vesfuvausbruchs entzieht. Wir können uns ohne ihn behelfen. Wenn Frank-
reich, England und Rußland uns unbedingte Bürgschaften gegen Deutsch-
lands Verlangen nach Tripolis und gegen Oesterreichs Drohungen in Al-
banien und Makedonien zu bieten vermögen, ist nicht daran zu zweifeln,
daß der Dreibund am 21. Juni 1908 zu bestehen aufhören wird."“
„Il Domani“: „Aus Abscheu hatten wir eigentlich das freche Be-
tragen der teutonischen Kanaille, während das Unglück den Süden Italiens
von neuem heimsucht, nicht brandmarken wollen, um so mehr uns gegen-