Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

336 Jialien. (April 24.) 
über der einfältigen offiziellen Beleidigung . zahlreiche Kundgebungen 
der Solidarität seitens des deutschen Proletariats zugegangen sind. 
Um die Wahrheit zu sagen, muß eingestanden werden, daß Italien das 
Erbarmen der Deutschen nicht nötig hat, wir werden auch dieses Mal die 
gewaltige Gegnerschaft und das grenzenlose Unglück überwinden, ohne daß 
die hartherzigen und unästhetischen Herunterschlucker des Kaiserbieres an 
unserem Schmerze Anteil nehmen.“ 
„Giornale d'Italia“" glaubt an die Fortdauer des Bundes: „Es 
genügt, über die Wirklichkeit und die wahren Tatsachen nachzudenken, um 
zu verstehen, daß die angebliche Trübung der diplomatischen Beziehungen 
keinen Grund hat zu bestehen und nicht besteht.“ 
„Popolo Romano“: „Wer Deutschland der Gleichgültigkeit zeiht, 
der hat keine deutschen Zeitungen gelesen, die alle voll von Berichten aus 
Neapel oder von wissenschaftlichen Berichten und Beileidskundgebungen 
sind. In den Familien wird von nichts anderem gesprochen, als von dem 
schrecklichen Naturereignis. In vielen Kirchen wurde am Karfreitag der 
Obdachlosen und Unglücklichen im Gebete gedacht.“ 
24. April. (Senat.) Regierungserklärung über Algeciras 
und den Dreibund. 
Sen. de Martino betont die Notwendigkeit des Dreibundes und 
fragt: Hat Italien auf der Konferenz von Algeciras eine Haltung an- 
genommen, die im Widerspruch steht zu der Politik, die ihm vorgezeichnet 
ist durch seine Sonderabkommen mit befreundeten Mächten und durch Ver- 
träge mit verbündeten Mächten, besonders mit Deutschland? 
Minister des Aeußern Guicciardini: Die Konferenz in Algeciras 
hat ihre Arbeiten zur Zufriedenheit aller beteiligten Mächte beendet. Im 
englischen Oberhaus hat bereits der Unterstaatssekretär des Aeußern ihr 
Ergebnis als ein günstiges Vorzeichen für den Fortschritt der Zivilisation 
bezeichnet. Im deutschen Reichstage hat Fürst Bülow sich in hohem Maße 
befriedigt darüber ausgesprochen und anerkannt, daß das Ergebnis gleich 
günstig für Deutschland wie für Frankreich sei. In der französischen 
Kammer hat Minister Bourgeois sich dahin ausgesprochen, daß die Kon- 
ferenz den hohen Zielen, um deren Willen sie einberufen wurde, nämlich 
der Einigung und dem Frieden, gerecht geworden sei. Ich beglückwünsche 
mich dazu im Namen der Regierung und weiß, daß ich damit die ein- 
stimmige Auffassung und Gesinnung unseres Landes zum Ausdruck bringe. 
Der glückliche Ausgang der Konferenz, der nützlich und ehrenhaft für die 
ganze Welt ist, ist ein neuer Beweis für den friedlichen Geist, der die 
Tätigkeit der internationalen Diplomatie beseelt. Italien betrachtet diesen 
Geist nicht weniger als jede andere Nation als nützlich für das Wohl der 
Bevölkerung und trägt seinerseits, wie es auch in Algeciras getan hat, 
in weitestem und aufrichtigstem Maße bei. Die Stellung Italiens auf der 
Konferenz war besonders delikat, denn die Konferenz sollte eine Streit- 
frage regeln zwischen einer Macht, die unser Verbündeter ist, und einer 
Macht, mit der wir gute Freundschaftsbeziehungen unterhalten und mit 
der wir seit einigen Jahren ein Sonderabkommen über die das Mittel- 
meer betreffenden afrikanischen Fragen abgeschlossen haben. Unsere Tätig- 
keit in Algeciras konnte deshalb nur eine Aktion der Versöhnung und 
Vermittelung sein. Bevor die Konferenz ihre Arbeiten begonnen hatte, 
brachte die italienische Regierung das zur Kenntnis der beteiligten Mächte. 
Unsere Aktion war in der Tat ein Werk der Versöhnung und Vermittlung, 
und der Zweck wurde völlig erreicht, denn keine Macht hat unter Ver- 
minderung ihrer materiellen Interessen oder ihres moralischen Ansehens
	        
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