338 Stalien. (April 28.—Mai 10.)
in Rom und Wien beseelt. — Bezüglich Englands erinnert der Minister
daran, daß Italien, als vor einer Reihe von Jahren die ersten Verhand-
lungen zu dem Bündnis mit den Zentralmächten eingeleitet wurden, Sorge
getragen habe, die alten, unveränderten Beziehungen zu England zu be-
tonen, auf die es nicht würde verzichten können. Die beiden Kaiserreiche
hätten die Bedeutung und den Wert dieser loyalen Erklärung anerkannt,
indem sie zugaben, daß solche Beziehungen wohl vereinbar mit dem Bei-
tritt Italiens zum Bündnis seien; auch Lord Fitzmaurice habe kürzlich im
Hause der Lords erklärt, daß die Tatsache, in guten Beziehungen mit einer
Macht zu stehen, es nicht notwendig mache, daß man zu einer anderen
Macht in schlechten Beziehungen stehe. Im vergangenen Dezember habe
Fürst Bülow lebhaft gegen die Behauptung der Möglichkeit von Reibungen
zwischen Deutschland und Großbritannien protestiert. Hieraus schöpfe er
das Vertrauen, daß die traditionellen Beziehungen Italiens zu England
auch für die Zukunft wie es in der Vergangenheit gewesen sei, ein Element
des guten Einvernehmens unter den Nationen sein werde. Auch hat die
Politik, die zur Grundlage den Dreibund hat, die alle unsere Interessen
in den Balkanstaaten und im Mittelmeer wahrt und welche die intimen
Beziehungen aufrecht erhält, nicht die gewünschten Annäherungen ver-
hindert und bleibt ein fester Grundpfeiler des europäischen Friedens. Der
Wille der Völker und die Tätigkeit der Diplomatie arbeiten gemeinsam
daran, die Streitpunkte auf der Grundlage der gegenseitigen Anerkennung
und der berechtigten internationalen Interessen zu lösen. Die Politik, die
von dem Bestreben nach einem gerechten Ausgleich erfüllt ist, bildet die
unerläßliche Bedingung für die wirtschaftliche Entwicklung und für die
Zivilisation der Völker. Seien Sie überzeugt, daß Italien zu dieser Politik
mit dem Bewußtsein seiner Pflichten und seiner Rechte beiträgt. (Leb-
hafter Beifall.)
De Martino erklärt sich hierauf sehr befriedigt und dankt dem
Minister.
W. April. (Mailand.) In Gegenwart des Königspaares
wird die internationale Ausstellung für Verkehrswesen eröffnet.
7. Mai. (Kammer.) Marineminister Mirabello erwidert
auf eine Interpellation, die italienische Flotte stehe keiner anderen
in Material und Bewaffnung nach.
Mai. (Generalausstand.)
In Turin streiken die Textilarbeiter, um Verkürzung der Arbeits-
zeit zu erlangen, aus Shmaie schließen sich verwandte Gewerbe an.
Da es zu heftigen Zusammenstößen mit der Polizei kommt, wird für einen
Generalstreik agitiert und in einigen Städten, wie Mailand, Rom, Bo-
logna, versucht (10. Mai). Der Streik hört am folgenden Tage ergebnis-
los auf. Zahlreiche Ausständige werden wegen Ausschreitungen angeklagt.
10. Mai. (Kammer.) Debatte über den Ausstand.
Auf mehrere Anfragen über die Ausstände seit Mitte April erwidert
Ministerpräsident Sonnino: Die Unruhen in Calimera hätten ihren Ur-
sprung nicht in einem Konflikt zwischen Kapital und Arbeit gehabt, son-
dern sie seien durch die dortige Bevölkerung verschuldet worden und hätten
dann die Exzesse in Turin und Bologna nach sich gezogen, obwohl der
Präfekt von Turin sich alle Mühe gegeben habe, sie zu verhindern und
eine Verständigung herbeizuführen. Redner beklagt die politische Agitation,
vermittels derer eine einzelne Partei versuche, sich zur Herrin der poli-