Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

346 Bie Nämische Kurie. (Februar 17.) 
zu Deutschland und Oesterreich müsse Italien die größte Aufrichtigkeit und 
Loyalität beobachten. 
VIII. 
Die Nömische Kurie. 
17. Februar. Der Papst veröffentlicht eine Enzyklika über 
das Trennungsgesetz in Frankreich. 
Sie verzeichnet im einzelnen die verschiedenen auf die Trennung 
vorbereitenden staatlichen und gesetzlichen Maßnahmen: Ehescheidung, Lai- 
cisierung der Schulen und Hospitäler, Wehrdienst des Klerus, Aufhebung 
der Orden, Abschaffung der öffentlichen Gebete, der religiösen Abzeichen 
u. s. w. Der Heilige Stuhl habe nichts unversucht gelassen, um die fran- 
zösischen Machthaber auf der abschüssigen Bahn aufzuhalten, aber weder 
Leo XIII. noch er, Pius X., haben etwas erreicht; schließlich habe die 
Gewalttätigkeit der Feinde der Religion ihr Werk doch vollendet. Der 
Papst geht dann auf die Frage der Trennung von Staat und Kirche 
grundsätzlich ein, jedoch ist aus dem Zusammenhange zu erkennen, daß er 
in der Hauptsache mehr die Trennung eines einmal bestehenden vertrag- 
lichen Verhältnisses im Auge hat, wie ja die Vereinigten Staaten von 
Nordamerika ein solches Verhältnis nicht kennen, keinerlei „Denomination“, 
d. h. keinerlei konfessionellen Kultus anerkennen, ohne daß von kirchlicher 
Seite dagegen Protest erhoben würde. So wenig wie Pius X. die in den 
Vereinigten Staaten bezüglich der Kirche bestehenden Verhältnisse hat ver- 
urteilen wollen, so wenig kann in seinen Ausführungen eine Spitze gegen 
die jüngsten theoretischen Auseinandersetzungen des Bischofs von Cremona, 
Msgr. Bonomelli, zu diesem Thema gesehen werden, ganz abgesehen davon, 
daß dies Schreiben des Papstes zu einem Zeitpunkte bereits abgeschlossen 
war, als von dem Hirtenbriefe des Cremoneser Kirchenfürsten noch nichts 
bekannt war. Der Papst bezeichnet die Forderung, daß Staat und Kirche 
voneinander getrennt werden müßten, als eine absolut falsche These, als 
einen verderblichen Irrtum; sie beschränke die Aufgabe des Staates unter 
Leugnung der übernatürlichen Ordnung auf die ausschließliche Förderung 
der zeitlichen Wohlfahrt, als wenn ihn die höchste Aufgabe dieses Lebens, 
die Erlangung der ewigen Seligkeit für den Menschen, nichts anginge. 
Diese These stürze die von Gott in der Welt eingesetzte Ordnung um, 
welche ein harmonisches Verhältnis zwischen Staat und Kirche fordere. 
In der Trennung lägen Keime der Zwietracht, die sich zwischen beiden 
Faktoren sehr scharf gestalten könne; sie bedrohe die bürgerliche Gesellschaft 
mit schweren Nachteilen. So hätten denn die Päpste nach Zeit und Um- 
ständen die Trennung öfter verurteilt, und auch noch Leo XIII. habe dies 
getan. Wenn aber die Trennung dem christlichen Staate schon schwere 
Nachteile bringe, um wie viel mehr dem so lange mit der Kirche verbunden 
gewesenen Frankreich! Um so größer auch das Unrecht, das von dieser 
Seite jetzt durch das Trennungsgesetz der Kirche geschehe. Der Papyst setzt 
dies im einzelnen auseinander, wie das bereits in den Kommentaren zum 
Weißbuch geschehen ist, und führt dann aus, daß der Staat bei Lösung 
des Konkordatsvertrages der Kirche doch wenigstens die gemeine Freiheit 
hätte lassen müssen, statt dessen stelle er sie durch gehässige Ausnahme-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.