Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

350 Die NRömische Kurie. (August 10.) 
10. August. Der Papst veröffentlicht folgende Enzyklika an 
den französischen Episkopat gegen das Trennungsgesetz: 
Papst Pius X. Ehrwürdige Brüder. Gruß und apostolischen Segen. 
Wir entledigen uns heute einer überaus schweren Verpflichtung unseres 
Amtes. Wir haben diese Verpflichtung euch gegenüber übernommen, als 
wir, nach der Veröffentlichung des Gesetzes über die Trennung zwischen 
der französischen Republik und der Kirche, ankündigten, wir würden zu 
geeigneter Zeit mitteilen, was unseres Erachtens zu geschehen habe, um 
die Religion in eurem Lande zu verteidigen und zu erhalten. Wir haben 
bis heute gezögert, nicht nur wegen der Bedeutung dieser schwierigen Frage, 
sondern auch und namentlich mit Rücksicht auf die ganz besondere Zu- 
neigung, welche uns, wegen der unvergeßlichen Dienste, die eure Nation 
der Kirche geleistet hat, mit euch und allen euren Interessen verbindet. 
Nachdem wir pflichtmäßig dieses unbillige Gesetz verurteilt hatten, haben 
wir mit größter Sorgfalt geprüft, ob die Artikel des erwähnten Gesetzes 
uns wenigstens eine Möglichkeit offen ließen, das religiöse Leben in Frank- 
reich zu organisieren, ohne die erhabenen Grundsätze, auf welchen die 
hl. Kirche beruht, zu verletzen. Zu diesem Zwecke schien es uns richtig, 
die Ansicht des vereinigten Episkopates einzuholen und für eure General- 
versammlung die Punkte zu bestimmen, welche den Hauptgegenstand eurer 
Beratung bilden sollten. Gegenwärtig, wo wir eure Auffassung und die- 
jenige mehrerer Kardinäle kennen, sehen wir, nach reiflicher Erwägung 
und inbrünstiger Anrufung des Vaters der Erleuchtung, daß wir mit un- 
serer apostolischen Autorität die fast einmütige Auffassung eurer Versamm- 
lung durchaus bestätigen müssen. Deshalb bestimmen wir, daß die Kultus- 
vereinigungen, wie das Gesetz sie auferlegt, unbedingt nicht gebildet werden 
können, ohne die erhabenen Rechte zu verletzen, die zum Leben der Kirche 
gehören. Indem wir also diese Vereinigungen, welche das Bewußtsein 
unserer Pflicht zu genehmigen uns verbietet, verwerfen, könnte eine Prü- 
fung zweckmäßig erscheinen, ob es zulässig ist, anstatt ihrer mit einer an— 
deren Vereinigungsform, die gleichzeitig gesetzlich und kanonisch ist, einen 
Versuch zu machen, und so die französischen Katholiken vor den sie be- 
drohenden schweren Verwickelungen zu bewahren. Nichts wahrlich be- 
schäftigt uns in solchem Maße, nichts macht uns solche Sorge, wie diese 
Möglichkeiten der Zukunft; möchten wir, das gebe der Himmel, eine schwache 
Hoffnung hegen dürfen, daß wir, ohne Verletzung der kirchlichen Rechte, 
diesen Versuch machen und so unsere geliebten Söhne vor der Befürchtung 
so schwerer Prüfungen bewahren können! Da aber diese Hoffnung nicht 
vorhanden ist, so lange das Gesetz so bleibt, wie es ist, erklären wir: Es 
ist nicht erlaubt, einen Versuch mit dieser anderen Vereinigungsform zu 
machen, so lange nicht in sicherer und gesetzlicher Form feststeht, daß die 
göttliche Verfassung der Kirche, die unveränderlichen Rechte des römischen 
Papstes und der Bischöfe, wie ihre Autorität über die der Kirche unent- 
behrlichen Güter, namentlich über die Kultusgebäude, in den erwähnten 
Vereinigungen unwiderruflich und vollständig sichergestellt sind. Das Gegen- 
teil können wir nicht wollen, ohne die Heiligkeit unseres Amtes zu ver- 
raten, ohne den Untergang der Kirche Frankreichs herbeizuführen. Eure 
Sache, ehrwürdige Brüder, ist es nun, euch ans Werk zu geben und alle 
Mittel anzuwenden, welche das Recht allen Bürgern zuerkennt, um den 
Kultus einzurichten und zu organisieren. In einer so wichtigen und 
schwierigen Angelegenheit wird unsere Hilfe euch stets sicher sein. Auch 
fern von euch, werden wir stets bei euch sein in Gedanken, mit dem Herzen, 
und bei jedem Anlaß werden wir euch mit unserem Rat und unserer
	        
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