Belgien. (Februar — Juni Anfang.) 359
halbamtliche „Journal de Bruxelles“ weist solche Gerüchte scharf
zurück; Deutschland denke nicht an eine Bedrohung der belgischen
Neutralität.
Februar. Debatte über den Kongostaat.
Im Parlament und in der Presse finden lebendige Diskussionen
über den Kongostaat und seine Verwaltung statt. Die Regierung ver-
teidigt ihn, die klerikale Partei ist geteilt, die Sozialdemokratie greift ihn
scharf an. — Am 2. März genehmigt die Kammer mit 80 Stimmen bei
54 Stimmenthaltungen folgenden von der Regierung gebilligten Tages-
ordnungsantrag des Abg. Beernaert: Durchdrungen von dem Gedanken,
der bei der Gründung des unabhängigen Kongostaates leitend war, sowie
in voller Achtung der Berliner Akte, spricht die Kammer allen denen, die
sich diesem Zivilisationswerk gewidmet haben, ihre Anerkennung aus und
geht im Vertrauen auf die vom Reformausschuß auf Grund der Schluß-
folgerungen des von dem Kongostaate eingesetzten Untersuchungsausschusses
auszuarbeitenden Vorschläge zur Tagesordnung über und beschließt, un-
verzüglich zur Prüfung der Gesetzvorlage vom 7. August 1901 betreffend
die belgischen Kolonien zu schreiten.
13. März. Der Senat genehmigt die Antwerpener Kredit-
vorlage mit 53 gegen 31 Stimmen bei 11 Stimmenthaltungen.
23. April. Das Schulschiff „Smet de Naeyer“ geht mit
33 Mann im Golf von Biscaya unter.
27. Mai. Bei 85 Neuwahlen für die Kammer verlieren die
Klerikalen mehrere Mandate, so daß ihre Mehrheit auf 12 sinkt.
Zusammensetzung: 89 Klerikale, 45 Liberale, 31 Sozialisten, 1christ-
licher Demokrat.
Anfang Juni. Kundgebungen über den Kongostaat.
Amtlich wird der Bericht über die Reformvorschläge der zur Unter-
suchung der Verhältnisse im Kongostaat eingesetzten Kommission veröffent-
licht. Die von der Kommission empfohlenen Maßnahmen bestehen u. a.
in einer größeren Ausdehnung des Landbesitzes der Eingeborenen, in der
den Eingeborenen gewährten Möglichkeit, die Steuern in Arbeiten oder
Produkten zu entrichten, in einer Verbesserung des Trägersystems, in der
Bestimmung, daß es dem Staat allein zustehen solle, Operationen mit
bewaffneter Hand durchzuführen, in der Einführung einer Steuer aus dem
Gewinn der im Kongostaat konzessionierten Gesellschaften, in der Errichtung
von Schulen für die Eingeborenen und einer Verbesserung des Gerichts-
wesens. Durch Dekret des Königs wird ein aus neun vom König er-
nannten Mitgliedern bestehenden Kongorat geschaffen, der die ihm vom
Souverän des Kongostaates zugewiesenen Fragen der Politik und der Re-
gierung zu prüfen haben wird. — Zugleich mit dem Bericht sind zwei
Briefe veröffentlicht, in denen der König die ihm vorgeschlagenen Maß-
nahmen gutheißt und den Kongostaat als seinen Besitz in Anspruch nimmt,
da er durch ihn und mit seinen eigenen Mitteln geschaffen worden sei.
Eine Einmischung Fremder würde eine Usurpation sein. In den Briefen
wird weiter der Wunsch ausgesprochen, daß Belgien den Kongostaat mit
allen seinen Lasten und Vorteilen übernehmen solle, sobald der geeignete
Zeitpunkt gekommen sei. Es wird in dem Schreiben der Gedanke be-
kämpft, eine verantwortliche Regierung oder ein Parlament für den Kongo-