Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

360 Belgien. (Juni Ende —Oktober 16.) 
staat zu schaffen. Ferner wird eine Erhöhung der Geldmittel zur Be- 
kämpfung der Schlafkrankheit gefordert und an die Abschaffung der Skla- 
verei und das Verbot der Einfuhr von Alkohol erinnert. 
Die englische Regierung betont demgegenüber das Einmischungs- 
recht Englands auf Grund der Bestimmungen der Berliner Kongoakte und 
fordert die folgenden Dinge: 1. Bürgschaft für die menschliche Behandlung 
der Eingeborenen, 2. Aufhebung der Staats= und Krondomänen und des 
damit verbundenen Handelsmonopols des Staates, 3. Beseitigung des 
Monopols der Handelsgesellschaften, welches mit den Bestimmungen des 
Berliner Afrikavertrages zur Wahrung der internationalen Handelsfreiheit 
im Kongobecken im Widerspruch steht, 4. Gewähr für eine unpartelische 
und unabhängige Rechtsprechung. 
Ende Juni. Der Generalstab veröffentlicht eine Denkschrift 
über die militärische Lage: 
Er verlangt darin die Neubefestigung Antwerpens und den Aus- 
bau der Maasfestungen bis an die französische Grenze (sie bestehen näm- 
lich zurzeit nur zwischen Lüttich und Namur), die Einführung des perfön- 
lichen Heeresdienstes und die Schaffung eines Reserveoffizierkorps. Der 
Generalstab berechnet, daß das belgische Heer, wenn es eine wirksame Landes- 
verteidigung sichern soll, eine Kriegsstärke von mindestens 250000 Mann 
haben muß, was nur durch die Einführung des persönlichen Heeresdienstes 
ermöglicht werden kann. Aber das gegenwärtige, in der Zahl sehr be- 
schränkte belgische Offizierkorps wäre nicht ausreichend, eine solche Armee 
zu befehligen. Zu diesem Zwecke muß also ein besonderes Reserveoffizier- 
korps herangebildet werden, wie es in Deutschland und Frankreich besteht. 
26. Juli. Das Gesetz über Sonntagsruhe tritt in Kraft. 
Es verbietet, „andere Personen, als die Angehörigen der eigenen 
Familie, soweit dieselben mit dem Arbeitgeber zusammenwohnen, 
und die Hausbediensteten, an mehr als sechs Tagen in einer Woche 
zur Arbeit heranzuziehen“. 
Mitte August. (Verviers.) Streik und Aussperrung in 
der Woll- und Tuchindustrie, weil die Arbeiter die Doppelstühle 
nicht dulden wollen. 
27. August. (Brüssel.) Auf dem niederländischen Sprach- 
und Literaturkongreß wird die Frage eines niederländisch-belgischen 
Bündnisses erörtert. Die Angelegenheit wird vertagt, da der fran- 
zösische General Langlois diesem Bunde einen antideutschen Cha- 
rakter geben will. 
14. Oktober. (Montzen.) Der Kongreß der Deutsch-Belgier 
beschließt, energisch für die Sicherung und Durchsetzung der deut- 
schen Sprache einzutreten. Hauptführer ist Professor Kurth-Lüttich, 
daneben mehrere Geistliche. 
16. Oktober. (Brüssel.) Die internationale Konferenz zur 
Revision des Reglements über den Spirituosenhandel beginnt ihre 
Sitzungen.
	        
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