Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

Türkei. (Mai 1.—Dezember.) 403 
1. Mai. Die Pforte verlangt, daß die Mächte einer drei— 
prozentigen Zollerhöhung zustimmen, da sonst bei der ungünstigen 
Finanzlage die makedonischen Gehälter nicht bezahlt werden könnten. 
Juli. Verhandlungen über die Zollerhöhung. 
Nach langen Verhandlungen stimmen alle Mächte der Erhöhung 
der Zölle von 8% des Wertes auf 11% zu. Nur England verweigert 
die Zustimmung, so daß die Erhöhung unmöglich und die Finanzierung 
des makedonischen Budgets in Frage gestellt wird. Als Ursache des eng- 
lischen Widerstandes bezeichnet die „Allgemeine Zeitung“: „England ver- 
langt als Kaufpreis für seine Zustimmung die Konzession zur Verlängerung 
der Smyrna-Aidin-Eisenbahn. Da indes dieses Unternehmen, wenn es 
zustande kommt, geeignet ist, die Einnahmen der (deutschen) anatolischen 
Bahnen zu beeinträchtigen, fordert die Direktion dieser Bahnen für den 
Fall der Konzessionserteilung an die Engländer eine Erhöhung der ihr 
von der Türkei zugesicherten Kilometergarantie. Das liegt nicht etwa in 
antienglischen, sondern in rein geschäftlichen Erwägungen begründet, es er- 
schwert aber immerhin die Erledigung der englischen Forderung.“ 
September. (Kreta.) Wechsel des Oberkommissars. 
Prinz Georg von Griechenland legt sein Amt nieder. Die Schutz- 
mächte übertragen die Wahl des Nachfolgers dem König von Griechenland, 
der Zaimis ernennt. Die Pforte protestiert hiergegen als eine Verletzung 
ihrer Souveränetätsrechte. — In Kreta brechen Unruhen aus, als Georg 
die Insel verläßt (25. September). 
1. Oktober. (Konstantinopel.) Die Botschafter stellen in 
einer Kollektivnote folgende Bedingungen für die Zollerhöhung: 
1. Offizielle Zustellung an die Botschafter und strikte Ausführung 
der Gesetze über das Minen= und Zollwesen u. s. w., Bereitstellung durch 
die Pforte von 100000 Pfund für die Vergrößerung der Zollämter und 
Regelung der Lastenträgerfrage. 2. Garantie, daß die der türkischen Re- 
gierung zukommenden 75 Prozent Mehreinnahme ausschließlich für Make- 
donien verwandt werden; die Verpflichtung der Dette Publique, zum make- 
donischen Defizit 250000 Pfund zuzuschießen; die Verpflichtung der tür- 
kischen Regierung, die von der makedonischen Finanzkommission vorgenommene 
Budgetrektifikation zu genehmigen, falls von der Kommission die für die 
Zivilverwaltung bestimmten Beträge nicht den Bedürfnissen des Landes 
für entsprechend gefunden werden. 3. Formelle Verpflichtung der Pforte, 
die Zollformalitäten mit keinerlei Stempel= u. s. w. Abgaben zu belasten. 
4. Anerkennung des Interventionsrechtes für Gendarmerieoffiziere in Straf- 
sachen; Verpflichtung der Pforte, die Gendarmerie vorschriftsmäßig zu be- 
waffnen und das Gendarmeriekontingent nach den Vorschlägen von de Georgis 
zu formieren und aus der Armee zu ergänzen. 5. Die Dauer der Er- 
höhung beträgt sieben Jahre, beginnend zwei Monate nach der Ratifikation. 
Mitte November. (Konstantinopel.) Die Vertreter der 
auswärtigen Mächte fordern Aufhebung des seit dem türkisch- 
griechischen Kriege erlassenen Verbotes, daß ausländische Paketboote 
nachts in die Dardanellen einfahren. 
Dezember. In Makedonien gibt es trotz des Winters viele 
Kämpfe zwischen bulgarischen und griechischen Banden. 
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