Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

404 Halgarien. (Januar 2.—August.) 
2. Bulgarien. 
2. Januar. Die Sobranje genehmigt durch Akklamation 
die Zollunion mit Serbien. 
Der Vertrag bringt die Anbahnung der wirtschaftlichen Annäherung 
beider Länder und das Streben nach völliger Zollvereinigung zum Aus- 
druck. Beide Länder stellen im Sinne des Vertrages die Zollunion für 
den Austausch der eigenen Erzeugnisse dar, während für fremde Erzeug- 
nisse bis zum 1. März 1917 der getrennte Zolltarif in Geltung bleibt. 
Ferner schließen beide Staaten bis zu diesem Zeitpunkt selbständig Handels- 
verträge mit anderen Staaten ab. Für die eigenen Erzeugnisse werden 
zwischen den beiden Ländern alle Zollschranken ausgehoben. Der Vertrag 
hebt auch den Paßzwang auf und stellt den Abschluß einer Münzkonvention 
und eines Konsularvertrages in Aussicht. Er tritt am 1. März 1906 in 
Kraft und behält Geltung bis zum 1. März 1917. Im Jahre 1917 soll 
er durch einen Vertrag über die Zollunion mit einem gemeinsamen Tarif 
für fremde Erzeugnisse ersetzt werden. Der Viehverkehr ist im Vertrag 
nicht erwähnt. 
31. Mai. Der Fürst weiht unter großen Feierlichkeiten den 
Hafen von Varna ein. 
Ende Juli. August. Griechenverfolgung. — Protest der Pforte. 
In Philippopel, Burgas, Anchialo, Rustschuk, Sofia und anderen 
Städten demonstrieren die Bulgaren gegen die Griechen; griechischer Besitz 
wird zerstört, griechische Kirchen und Schulen besetzt. Anchialo wird fast 
ganz zerstört, der Bischof und viele Griechen kommen um. — Die grie- 
chische Regierung protestiert gegen die Gewalttaten und fordert Entschädigung 
der Opfer, die bulgarische verspricht Untersuchung und Wiederherstellung 
der Opfer. 
Nach der Wiener „Politischen Korrespondenz“ richtet die Pforte an 
die bulgarische Regierung eine Note, in welcher sie ihr Mißfallen über die 
griechenfeindliche Bewegung in Bulgarien ausdrückt. Die bulgarische Re- 
gierung antwortet, sie betrachte die türkische Note als nicht eingegangen, 
da sie der Pforte nicht das Recht zugestehe, in die inneren Angelegen- 
heiten des Fürstentums einzugreifen. Im übrigen seien die Verfolgungen, 
denen die griechischen Elemente in Bulgarien ausgesetzt seien, nur eine 
Rückwirkung der Greueltaten, die in Makedonien an Bulgaren verübt 
worden seien. Die Pforte solle daher vor allem in der Türkei selbst ge- 
ordnete Zustände herstellen. 
Auf die Preßnachricht, daß die Pforte wegen dieser Vorgänge eine 
Note an die Mächte gerichtet habe, erklärt das offizielle Blatt „Now Wjek“: 
„Es erscheine ganz undenkbar, daß die Türkei sich ein derartiges Vorgehen 
gestatte. Denn wenn irgend jemand an den jetzigen Wirren auf dem Balkan 
Schuld trage, so sei es die türkische Regierung, wenn sie auch durch eine 
schlaue Politik den Haß des bulgarischen Volkes von sich auf die Griechen 
abzuwälzen gewußt habe. Die Türkei sei also am wenigsten berechtigt, 
zu behaupten, daß die bulgarische Regierung vorsätzlich die antigriechische 
Bewegung organisiert und geduldet habe. Die bulgarische Regierung würde 
denn auch, wenn sie die von den Bulgaren in Makedonien verübten Un- 
taten vergelten wolle, sich nicht gegen die Griechen, sondern gegen die 
Türkei wenden. Sollte die bulgarische Regierung aber einmal Satisfaktion
	        
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