Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

Nord--Amerika. (Dezember 4.) 417 
schenswert sei Einführung eines Vorzugstarifs oder gänzlicher Freihandel 
in Erzeugnissen der Philippinen und Erteilung des amerikanischen Bürger- 
rechts an die Bewohner von Puertorico. — Die Botschaft verwirft jede 
unterschiedliche Behandlung der den gesetzlichen Anforderungen entsprechen- 
den Einwanderer und tadelt namentlich aufs schärfste die in jüngster Zeit 
sporadisch aufgetretene Feindseligkeit gegen die Japaner, welche der Nation 
Schande bringe und von den schwersten Folgen für das Land begleitet 
sein könne. Amerika hoffe eine beständig steigende Rolle im Pazifischen 
Ozean zu spielen und eine große Handelsentwicklung im Verkehr mit Asien 
zu erreichen. Der Aufschwung Japans, das jetzt durch eigene Kraft als 
eine der größten der zivilisierten Nationen dastehe, sei wunderbar; es 
müßte durch ein besonderes Gesetz allen Japanern die Naturalisierung in 
Amerika ermöglicht werden. Nötig sei Erteilung gesetzlicher Befugnis an 
den Präsidenten, die Beachtung der Vertragsrechte der Ausländer in den 
Einzelstaaten von Bundes wegen durchzusetzen. — Die jüngste Intervention 
der Vereinigten Staaten in Kuba sei erfolgt, als die Unordnung bereits 
so groß geworden war, daß die Wahrscheinlichkeit bestand, daß die euro- 
päischen Vertreter, wenn nicht die Vereinigten Staaten die Ordnung wieder- 
herstellten, bewaffnete Intervention ihrer Regierungen zum Schutz von 
Leben und Eigentum ihrer Staatsangehörigen nachsuchen würden. Jetzt 
sei der Friede wiedergekehrt, die Zuckerernte im Gange und nach den be- 
vorstehenden Wahlen solle die provisorische Regierung ihr Ende erreichen. 
Der im Sommer in Rio de JFaneiro stattgehabte Kongreß der amerikani- 
schen Republiken und die südamerikanische Reise des Staatssekretärs Root 
habe dazu beigetragen, die im Süden vielfach herrschende, von der Wahr- 
heit weit entfernte Auffassung zu beseitigen, als ob die Monroelehre eine 
Art Vorherrschaft oder eine Art Protektoratsrecht der Vereinigten Staaten 
über die anderen Republiken in sich schließe. Die Vereinigten Staaten 
hätten die auf dem Kongreß in Rio de Janeiro angenommene Resolution 
unterstützt, nach der die zweite Friedenskonferenz im Haag die Frage der 
zwangsweisen Eintreibung öffentlicher Schulden und überhaupt die Frage 
der Verminderung von Konflikten zwischen den Nationen prüfen soll, die 
rein pekuniären Ursprungs sind. Die amerikanische Regierung würde sich 
freuen, wenn es zu einer internationalen Prüfung der Sache, welche einen 
Unterschied zwischen solchen Fällen und der einfachen Nichterfüllung eines 
Kontraktes mit einer Privatverson macht, und zu einer Resolution käme, 
welche sich für die Anwendung friedlicher Mittel in Fällen der letzten Art 
ausspricht; beides aber sei kaum Sache der Konferenz in Rio de Janeiro, 
auf welcher hauptsächlich Schuldnerstaaten vertreten seien, sondern der 
Haager Konferenz. — Der Präsident erwähnt die mittelamerikanischen Wirren 
des letzten Sommers und den Friedensschluß an Bord der Marblehead, 
stellt einen Bericht über seine Panamareise in Aussicht und empfiehlt die 
schleunige Ratifikation der Akte von Algeciras, welche Amerika die gleichen 
Handelsrechte wie allen europäischen Ländern verleihe und ihm keine wie 
immer geartete Verpflichtung auferlege, und erörtert die Frage der Robben- 
schlägerei auf den Pribiloffinseln, welche man jetzt durch Verhandlungen 
mit England und Japan zu regeln suche. Bei der zweiten geplanten 
Friedenskonferenz im Haag sei erfreulich, daß zum erstenmal alle ameri- 
kanischen Republiken zur Teilnahme eingeladen sind und daß durch be- 
sondere und hochgewürdigte Courtoisie Rußlands und der Niederlande die 
Abhaltung der Konferenz um die Zeit des Kongresses in Rio de Janeiro 
fallen gelassen worden ist. „Es muß immer im Auge behalten werden, daß 
ein Krieg, wo der Friede nur durch das Opfer der Gewissensüberzeugung 
oder der nationalen Wohlfahrt erlangt werden kann, nicht nur zu recht- 
Europäischer Geschichtskalender. XI.VII. 27 
 
	        
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