Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

418 Nord-Anerika. (Dezember 16.) 
fertigen ist, sondern für ehrenhafte Männer und für jede ehrenhafte Nation 
zum Gebot wird. Ein gerechter Krieg ist auf die Dauer für die Seele 
einer Nation weit besser als der blühendste Friede, der durch das Dulden 
von Unbill oder Ungerechtigkeit erlangt ist; ja, es kann selbst weit besser 
sein, im Kriege geschlagen zu werden, als überhaupt nicht gekämpft zu 
haben.“ Die Vereinigten Staaten sollten alles tun, um die Herbeiführung 
des Friedens unter den Völkern zu beschleunigen, solange aber eine inter- 
nationale Macht, welche jedes Unrecht wirksam verhindern kann, fehle, 
könne keine große und freie Nation sich selbst der Macht berauben, ihre 
Rechte zu schützen und in Ausnahmefällen selbst für die Rechte anderer 
einzustehen. Die Möglichkeit der friedlichen Beilegung von Streitigkeiten 
durch Schiedsspruch hänge gegenwärtig hauptsächlich davon ab, daß die 
Nationen, die recht zu handeln willens sind, genügende bewaffnete Stärke 
besitzen, um ihre Absicht wirksam zu machen. Die Flotte der Vereinigten 
Staaten sei der sicherste Bürge des Friedens, den das Land besitze. Der 
Präsident verlange nicht, daß die Flotte weiter vergrößert werde, aber ihre 
gegenwärtige Stärke müsse aufrecht erhalten werden dadurch, daß die ver- 
alteten und verbrauchten Schiffe durch neue, gute, die denen jeder anderen 
Flotte gleichkommen, ersetzt werden. Es solle ein Programm aufgestellt 
werden, wonach jährlich wenigstens ein Schlachtschiff erster Klasse gebaut 
wird, das an Größe und Schnelligkeit jedem gleichzeitig im Bau befind- 
lichen Schiffe anderer Nationen gleichkommt; es solle mit möglichst vielen 
sehr schweren Geschützen desselben Kalibers und kleinen Geschützen zur 
Zurückweisung von Torpedoangriffen bestückt werden, schweren Panzer, 
Turbinenmaschinen, kurz alle modernen Fortschritte aufweisen. Natürlich 
müßten von Zeit zu Zeit auch Kreuzer, Kohlenschiffe, Torpedojäger und 
Torpedoboote erneuert werden. Nötig sei ferner bessere Ausbildung von 
Offizieren und Mannschaften, Vervollkommnung des Offizierkorps in Flotte 
und Heer, Vermehrung der Küstenverteidigungsmannschaften, reichliche Ab- 
haltung von militärischen Manövern und Uebungsmärschen, Zusammen- 
ziehung der allzusehr über das Land zerstreuten Truppen. Da das Land 
im Kriegsfalle hauptsächlich auf Freiwillige angewiesen sei, sei möglichste 
Ausbreitung des Schützenwesens nach Schweizer Muster anzustreben. 
16. Dezember. Präsident Roosevelt richtet drei Sonderbot- 
schaften an den Kongreß. 
In der ersten fordert er die Umgestaltung der auf die Staats- 
ländereien bezüglichen Gesetze. Die zweite bezieht sich auf die Flotte. 
Präsident Roosevelt dringt darin auf Annahme des Gesetzes über den Per- 
sonenstand der Flotte und bezeichnet die gegenwärtige Methode der Be- 
förderung als veraltet. Zu Kapitänen würden Offiziere durchschnittlich im 
Alter von 56 Jahren und zu Konteradmiralen solche im Alter von 60 
Jahren ernannt. Den Flaggenrang erreichen die Offiziere erst wenige 
Monate vor ihrer gesetzlich gebotenen Verabschiedung. Sie hätten daher 
keine Gelegenheit, sich in den Pflichten des Oberbefehlshabers zu vervoll- 
kommnen. Nach dem neuen Gesetz, das der Präsident empfiehlt, würden 
die Offiziere den Kapitänsrang mit 48 Jahren und den Rang eines Konter- 
admirals mit 55 Jahren erreichen, und es würde damit eine siebenjährige 
Dienstleistung in jeder Rangstufe gesichert. In der dritten Botschaft be- 
richtet Präsident Roosevelt über seine Reise nach Panama, welche er ab- 
sichtlich in der regnerischsten Jahreszeit unternommen habe, um das Kanal- 
gebiet unter den ungünstigsten Verhältnissen zu sehen. Präsident Roosevelt 
drückt die Ueberzeugung aus, der Kongreß habe klug daran getan, die 
jetzt zur Ausführung kommende Linie für den Panamakanal gewählt zu
	        
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