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Wirtschaftspolitik für die Dauer der Handelsverträge entschieden
sei, endlich die Abneigung gegen Zentrum und Sozialdemokratie.
Durch diese Frontveränderungen ist es geschehen, daß zum ersten
Male Rechte und gesamte bürgerliche Linke als Regierungsparteien
gegen Zentrum und Sozialdemokratie in den Wahlkampf ziehen
konnten. Die alte Gegnerschaft war keineswegs vergessen, ja manche
Mitglieder der freisinnigen Vereinigung betonten die Feindschaft
gegen die Rechte stärker als gegen die Sozialdemokratie: das eini—
gende Band der gemeinsamen nationalen Politik überwog für die
Masse der Wähler doch jene Hindernisse.
In Preußen war das wichtigste parlamentarische Ergebnis
das Volksschulunterhaltungsgesetz. Es ist angeregt worden
durch das Kompromiß der Konservativen und Nationalliberalen
(1904 S. 88) und ist bestimmt, das Volksschulwesen vorläufig zu
regeln, solange ein allgemeines Volksschulgesetz noch nicht zustande
gekommen ist. Ein solches Gesetz ist bekanntlich durch die Ver-
fassung (Art. 112) verheißen, hat aber noch nicht geschaffen werden
können, da die großen Parteien sich über die in einem solchen Ge-
setze auszusprechenden Grundsätze — Konfessions= oder Simultan-
schule oder konfessionslose Schule, Schulaufsicht durch Geistliche oder
Fachmänner u. dgl. — nicht einigen können. Das neue Gesetz be-
schränkt sich daher darauf, Rechte und Pflichten des Staates wie
der Gemeinden an den Volksschulen zu fixieren und in den eigent-
lichen Unterrichtsfragen die bestehenden Zustände anzuerkennen.
Danach wird die Simultanschule da, wo sie besteht, erhalten, aber
jede Konfession darf auch in diesen Gemeinden eine eigene Schule
beanspruchen, falls die Zahl ihrer schulpflichtigen Kinder in den
Städten 120, in den Landgemeinden 60 beträgt. Auch die Beteiligung
der Geistlichen an der Schulaufsicht wird erhalten. Die Lehrer
werden in Gemeinden mit mehr als 25 Schulstellen von der Ge-
meinde gewählt, in den kleineren schlägt die Aufsichtsbehörde drei
Kandidaten vor, aus denen die Gemeinde einen zu erwählen hat. —
Das Gesetz hatte mannigfache Anfechtungen in der Offentlichkeit zu
bestehen und manche Wandlungen in den Kommissionen durchzu-
machen. Die Angriffe richteten sich namentlich gegen die Begün-
stigung der Konfessionsschule, da das Gesetz wohl eine Ausdehnung
Europäischer Geschichtskalender. XLVII.