450 Mebersicht über die politische Eulwickelung des Jahres 1906.
der Konfessionsschule aber nicht der Simultanschule gestattet, sowie
gegen die Beibehaltung der geistlichen Schulaufsicht und endlich
gegen die Bemessung der Rechte der Gemeinden. Auch in den
Kreisen, die diese Vorwürfe ablehnten, ist getadelt worden, daß die
Besoldung der Lehrer vernachlässigt worden sei. Diese Frage ist
das ganze Jahr hindurch erörtert worden (S. 149).
Von den übrigen preußischen Gesetzen ist hervorzuheben die
Novelle zum Einkommensteuergesetz. Sie läßt die Grundzüge des
Miquelschen Gesetzes bestehen, bringt aber Erleichterungen für solche
Steuerpflichtige mit einem Einkommen bis zu 6500 Mark, die für
Kinder oder sonstige Angehörige zu sorgen haben. — Seit langer
Zeit schon ist die Frage einer Reform des preußischen Landtags-
wahlrechts behandelt worden. Die Linke verlangte Abschaffung des
Dreiklassenwahlrechts und Neueinteilung der Wahlkreise entsprechend
der in der Bevölkerung eingetretenen Verschiebung. Von diesen
Wünschen ist ein kleiner Teil erfüllt worden: einige besonders große
Wahlkreise sind geteilt worden, so daß die Zahl der Abgeordneten
443 beträgt. Diese Neuerung genügte der Linken nicht; sie hat
daher gegen das Gesetz gestimmt und die Forderung auf Anderung
des Wahlmodus beibehalten. — Wie im letzten Jahre so ist auch
in diesem der staatliche Bergbesitz vermehrt worden durch den Er-
werb des Kalibergwerks Hercynia, aber der Gedanke eines Mono-
pols ist dabei von der Regierung weit abgewiesen worden. — Die
Polenfrage hat noch mehr als früher die Offentlichkeit beschäftigt.
Der Zwist zwischen Polen und Zentrum in Oberschlesien hat zum
völligen Bruch zwischen beiden Parteien dort geführt, und in Posen
und Westpreußen haben etwa 60000 Schulkinder den deutschen
Religionsunterricht zu vereiteln gesucht dadurch, daß sie die Ant-
wort verweigerten. Dieser „Schulstreik“, der natürlich auch andere
Widersetzlichkeiten, Beschimpfungen der Lehrer u. dgl. zur Folge
hatte, war beim Schluß des Jahres noch nicht beendet. Aller-
dings hatte ihn die Regierung durch Strafmandate gegen die
Eltern und ähnliche Maßregeln bedeutend eingedämmt. — Viel
erörtert wurde der Rücktritt des Landwirtschaftsministers v. Pod-
bielski. Ihm wurde die Beteiligung an der Firma Tippelskirch
zum Vorwurf gemacht, da diese in engen geschäftlichen Beziehungen