Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

52 Das Deutsche Reich und seine einfelnen Glieder. (März 5.) 
bereit ständen, aber wegen Annahmeverweigerung der russischen Stationen 
nicht dorthin überführt werden konnten, von Eydtkuhnen nach Wirballen 
verbracht werden. Auch diese Wünsche blieben unerfüllt. Die russische 
Regierung gab nur soweit nach, daß sie sich bereit erklärte, nach dem 
28. Februar alle Gesuche um Anwendung des alten Tarifs für diejenigen 
Waren zu prüfen, welche zwischen der Grenze und dem Innern von Ruß- 
land durch Ausnahmezustände aufgehalten wurden. Es ist wichtig, fest- 
zustellen, wie der Status der Dinge tatsächlich liegt. Ich habe mich an 
den preußischen Eisenbahnminister gewendet, telegraphisch diesen Stand 
festzustellen, und ich lege Wert darauf, Ihnen von dem Resultat Kenntnis 
zu geben. Der Eisenbahnminister hat an die Grenzstationen zur Beant- 
wortung der Interpellation telegraphisch die Frage gerichtet: a) wieviel 
Waren an der russischen Grenze bis zum 28. v. M. zurückgeblieben waren 
und wie viele an den russischen Grenzstationen zur Uebernahme angeboten 
waren, wie viele wegen Nichtannahme liegen geblieben waren? b) welche 
Gründe für die Annahmeverweigerung maßgebend waren, insbesondere, ob 
diese Gründe auf dem Gebiete des Zollwesens der Ueberfüllung, des 
Mangels an Zollpersonal lagen, oder ob Hindernisse im Eisenbahnbetriebe, 
in der Unfahrbarkeit von Eisenbahnstrecken oder elementarer Ereignisse in- 
folge von gewaltsamen Handlungen oder Arbeitseinstellungen vorgekommen 
waren. Diese Unterscheidung festzustellen ist wichtig, namentlich, ob es 
außerordentliche Ereignisse waren, die die Beendigung der Zollrevision 
nicht mehr möglich machten. Darauf sind Antworten der einzelnen Grenz- 
stationen eingegangen. Zunächst von der Station Königsberg. Darin 
heißt es: In Prostken waren Reste der Ausfuhr nach Rußland nicht vor- 
handen; seit mehreren Tagen waren Waren angeboten, aber von Rußland 
nicht angenommen, die Waren blieben liegen. Die Uebergabe wurde durch 
die russische Zollbehörde gesperrt. Nachtarbeit auch bei künstlicher Beleuch- 
tung wurde aus gesetzlichen Gründen verhindert. Aus Danzig wurde be- 
züglich des Grenzüberganges von Illowo--Mlawa und aus Bromberg be- 
züglich Thorns gemeldet, daß die vorhandenen Waren zur Ausfuhr nach 
Rußland übergeben waren. Aus Posen ist geantwortet worden, daß sich 
der Ausfuhrverkehr auf den Grenzstationen nach Rußland bis zum 28. Fe- 
bruar glatt abgewickelt habe. Zurückgeblieben sind am 28. Februar einige 
Sammelladungen, welche die Empfänger nicht abgenommen haben, ver- 
mutlich wegen zu hoher Nachnahmegebühren. Der Staatssekretär verliest 
ähnliche Antworten aus Kattowitz und Königsberg und zitiert weiter ein 
Schreiben des Auswärtigen Amts an den Minister der öffentlichen Arbeiten 
sowie ein Schreiben des letzteren und fährt dann fort: Das ist das amt- 
liche Material, das mir vorliegt. Der Reichskanzler kann nichts tun, als 
darauf wirken, daß diejenigen erhöhten Zollsätze, die etwa gefordert wurden, 
weil durch Ereignisse, die nicht den Charakter der höheren Gewalt trugen, 
durch Ereignisse, die vielleicht durch Abfertigungsschwierigkeiten herbei- 
geführt sind und vermieden werden konnten, der deutsche Exporteur nicht 
gezwungen wird, den höheren Zollsatz des neuen Zolltarifs zu tragen. 
Der Reichskanzler wird seine Bemühungen in dieser Richtung fortsetzen 
und wir hoffen bestimmt, daß es gelingen wird, mit der russischen Regie- 
rung zu einer Verständigung zu gelangen, um diejenigen Exporteure, 
welche an der Zahlung des höheren Zollsatzes unschuldig sind, in gewissen 
Grenzen schadlos zu halten. Weiteres glaube ich heute nicht erklären zu 
können. Das Haus wird wohl in dieser Beziehung mit Vertrauen den 
Schritten entgegensehen können, die der Reichskanzler in Zukunft im Inter- 
esse unserer Industriellen und Exporteure unternimmt. (Bravo.)
	        
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