58 Das Deuisqhe Reih und seine einzelnen Glieder. (März 12. 13./26.)
wirtschaften, und zwar 34 660 Hektar für 41.030 424 Mark. Von den an-
gekauften Besitzungen haben sich sieben Güter und 29 Bauernwirtschaften und
2620 Hektar in polnischer Hand befunden. Der Landerwerb der Kommission.
umfaßt unter Hinzurechnung der Erwerbungen aus den Vorjahren Ende
1905 296 323 Hektar für 250 327512 Mark. Hiervon stammen aus deutscher
Hand 299 Gutsbezirke, 73 Landgüter, 210 Bauernwirtschaften mit 194513
Hektar für 133 743 857 Mark; aus polnischer Hand 147 Gutsbezirke,
26 Landgüter, 173 Bauernwirtschaften mit 101 810 Hektar für 76583655
Mark. Die Nachfrage nach Ansiedlerstellen weist eine geringe Steigerung
gegen das Vorjahr auf.
12. März. (Wilhelmshaven.) Der Kaiser hält bei der
Vereidigung der Marinerekruten folgende Ansprache:
Der Eid, den ihr soeben geleistet habt, legt euch besondere Pflichten.
auf, deren Heiligkeit euch in allen Lebenslagen im Herzen liegen muß.
Noch kennt ihr diese Pflichten, noch wißt ihr nicht, was es heißt, sich nach
ihnen zu richten und sie streng und gewissenhaft zu erfüllen. Ihr geht
Gefahren entgegen, welche die Landbewohner nicht kennen, darum müßt ihr
bei allen Schicksalsschlägen doppelt gerüstet sein, mit Pflichttreue, Pflicht-
freudigkeit und Gottvertrauen. Ich weiß, ihr denkt euch: „Wir sind stramme
Jungen, wir wissen, was wir zu tun haben.“ Ein solches Selbstvertrauen
ist gut, aber es muß gepaart sein mit Gottesfurcht, wahrer Religiosität,
Pflichttreue und Berufsfreudigkeit. Gottesfurcht und Religiosität sind aber
leider nicht so verbreitet, wie sie es sein müßten. Denkt an die Geschichte
des deutschen Volkes, lernt aus den Großtaten euerer Bäter, aber lernt
nicht weniger aus den schweren Schicksalsschlägen, welche unserem Vater-
lande nicht erspart blieben. Hundert Jahre sind seit einem der trübsten
Unglückstage vergangen, welche unser Volk getroffen hat, Ich meine die
Schlacht bei Jena 1806. Ihr alle wißt von dieser Schlacht und dem großen
Unglück, das sie über das ganze deutsche Volk gebracht hat. Lernt daraus
erkennen, daß wahres Gottvertrauen allein stützt im Unglück. Das Unglück
kommt, wo wahre Religiosität fehlt, wo man Gottesfurcht nicht kennt. Darum
haltet an euerem Gotte fest. Wenn Gott mit uns ist, wenn wir in wahrer
Liebe und Vertrauen zu ihm aufblicken, können wir getrost der Zukunft
entgegenblicken, mag die ganze Welt sich gegen uns zusammentun.
13./26. März. (Neichstag.) Kolonialetat. Beamtenqualität.
Schulfrage. Christentum und Islam. Kameruner Beschwerden.
Abg. Erzberger (83.) greift die Kolonialverwaltung an, weil sie
dem Reichstag gegenüber nicht mit völliger Offenheit vorgehe. Erbprinz
Hohenlohe und Geh. Rat Rose treten ihm entgegen. Abg. Spahn (3.):
Ich spreche ruhig aus: Noch ehe ich die Erklärung des Kolonialamtes ge-
hört habe, bin ich durch die Ausführungen des Abg. Erzberger nicht über-
zeugt, daß der Vorwurf durch die Beweisstücke des Abg. Erzberger gerecht-
fertigt sei, weder im einzelnen noch im ganzen. Auf Bemerkungen des
Abg. Erzberger über Anstellung eines Kolonialbeamten erklärt er, die An-
stellungsfrage gingen den Reichstag nichts an; ein Beamter, der sich ver-
letzt fühle, möge petitionieren. Ueber die geschehenen Ausgaben ohne Be-
willigung des Reichstags sagt er: Es ist richtig, wir sind jetzt rasch hinter-
einander in die Lage gekommen, uns mit Indemnitätsfragen beschäftigen
zu müssen, aber wir müssen uns anderseits doch auch sagen, sie sind durch
kriegerische Ereignisse veranlaßt worden und wir würden sie zweifellos be-
willigt haben, wenn sie rechtzeitig von uns gefordert worden wären. Unter
solchen Umständen darf man wohl ruhig sagen, der Reichskanzler, der so-