Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

64 Nas NVenische Reich und seine einfelnen Glieder. (März 17./20. 19.) 
17.20. März. (Baden.) In der Zweiten Kammer kommt 
es zu einem heftigen Zusammenstoß zwischen der Regierung und 
dem sozialdemokratischen Abgeordneten Geck, da Minister des In- 
nern Schenkel es für pflichtwidrig erklärt, wenn sich Schutzleute 
beschwerdeführend an die sozialdemokratische Partei wenden. — Die 
Sozialdemokratie lehnt deshalb das Budget ab. . 
19. März. (Preußen.) Vorlagen zur Anderung des 
Wahlrechts. 
Der Entwurf besteht aus zwei Gesetzen: 1. Gesetzentwurf, betreffend 
Vermehrung der Mitglieder des Hauses der Abgeordneten und Aenderungen 
der Landtagswahlbezirke und Wahlorte. Er setzt die Zahl der Abgeord- 
neten auf 443 fest. Für Berlin sind zwölf Wahlbezirke mit je einem Ab- 
geordneten in Aussicht genommen, also zwölf gegen bisher neun. Im 
Wahlbezirk Potsdam wurde ein neuer Wahlbezirk aus dem Stadtkreis 
Charlottenburg und ein zweiter aus Schöneberg und Rixdorf mit je einem 
Abgeordneten gebildet. In den beiden zu einem Wahlbezirk zu vereini- 
genden Landkreisen wurden die bisherigen zwei Abgeordneten belassen. 
Der Wahlbezirk Oppeln 5 wird geteilt und erhält statt zwei drei Ab- 
geordnete. Der Wahlkreis Arnsberg, der größte der Monarchie, erhält 
sechs statt drei Abgeordnete, die aus sechs Wahlbezirken zu wählen sind. 
Der Wahlkreis Düsseldorf 5 erhält vier statt drei Abgeordneten, wobei ein 
neuer Wahlkreis, Düsseldorf 15, aus der Stadt Mülheim a. d. Ruhr, dem 
Kreis Mülheim und dem Kreis Ruhrort gebildet wird. Ferner werden 
entsprechende Aenderungen der Wahlorte zur Vermeidung zukünftiger 
Wahlen in den Kirchengebäuden und die Benützung günstigerer Verkehrs- 
bedingungen vorgeschlagen. 
2. Gesetzentwurf, betreffend Abänderung der Vorschriften über das 
Verfahren bei den Wahlen zum Abgeordnetenhause. Artikel 1 bestimmt: 
Der Protokollführer und der Beisitzer des Wahlvorstandes werden durch 
einen Wahlkommissarius aus der Mitte der Wahlmänner ernannt. Haben 
bei der ersten Abstimmung nur zwei Personen, oder wenn nur zwei Wahl- 
männer zu wählen sind, nur vier Personen und zwar gleichviel Stimmen 
erhalten, so entscheidet das Los. In Gemeinden mit über 50000 Seelen 
findet die Abstimmung innerhalb einer festzusetzenden Abstimmungzsfrist 
statt, anstatt der bisherigen gemeinschaftlichen Versammlung der Urwähler 
zur Terminswahl. Abteilungen von über 500 Wählern können in Ab- 
stimmungsgruppen geteilt werden. Auf Antrag des Gemeindevorstandes 
kann für Gemeinden von über 50000 Seelen die Terminwahl oder für 
Gemeinden von unter 50000 Seelen die Fristwahl angeordnet werden. 
Der Minister des Innern kann bei Wahlbezirken mit 600 Wahlmännern 
oder mehr anordnen, die Abgeordnetenwahl in den Gruppen der Wahl- 
männer vorzunehmen, die Wahlorte bestimmen oder die Abstimmung in 
Form einer Fristwahl festsetzen. Ueber die Gültigkeit der Wahlmänner- 
wahlen entscheidet die Gruppe, zu der der Wahlmann gehört. Artikel 2 
setzt die Verpflichtung der Urwähler, die Mitgliedschaft des Wahlvorstandes 
zu übernehmen, sowie die Ablehnungsgründe fest. 
19. März. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ schreibt 
über die Pariser Presse und die Möglichkeit des Scheiterns der 
Marokkokonferenz: 
„Nach amtlichen Berichten des Botschafters v. Radowitz hat bisher
	        
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