Fas Denische Reih und seine einjelnen Glieder. (März 20.) 65
auf der Konferenz von Algeciras unter den Delegierten allerseits das red-
liche, loyale Bestreben geherrscht, die großen sachlichen Schwierigkeiten
sachlich zu behandeln, den Einfluß erregter Preßerörterungen fernzuhalten
und so das Werk, wenn möglich, zu einem guten Ende zu bringen. Die
gesamte ernste Presse Deutschlands darf, wie wir glauben, die Anerkennung
beanspruchen, daß sie die Arbeit der Delegierten respektiert hat und dem
Gang der Verhandlungen mit Ruhe gefolgt ist, im Gegensatz zu der auf-
geregten, zum Teil gehässigen Haltung mancher Pariser Blätter. Immer
kehrt in ihnen, so beispielsweise in der letzten Nummer des „Temps“, der
Versuch wieder, die von Deutschland verlangten internationalen Garantien
als verkleidete Annexionsgelüste hinzustellen. Der in dem österreichisch-
ungarischen Vermittlungsprojekt enthaltene Vorschlag, neben dem neutralen
Generalinspektorat eine neutrale Station in Casablanca einzurichten, ist
ein untaugliches Beweismittel für die Behauptung, daß die deutsche Politik
nicht bloß eine volle Garantie für die offene Tür verlange, sondern sich
von uneingestandenen Nebenabsichten leiten lasse. Für die spezifisch deut-
schen Interessen ist es gleichgültig, ob gerade in Casablanca ein paar
schweizerische oder holländische oder spanische und französische Instrukteure
für die marokkanische Polizei tätig sind. Wir glauben auch nicht, daß
Deutschland die Verständigung in der Polizeifrage lediglich an Casablanca
scheitern lassen kann, wenn Frankreich bereit ist, die Polizeiinstruktion in
den Häfen mit wirklich genügenden Bürgschaften für ihre allen fremden
Interessen unparteiisch dienende Ausübung zu versehen. Der erste Schritt
dazu ist geschehen mit dem Zugeständnis, daß ein neutraler General=
inspekteur eingesetzt werden soll. Wir wollen noch an der Hoffnung fest-
halten, daß sich ein skrupelloser Uebereifer nicht mächtiger als die nüchterne
Ueberlegung erweisen und das Bemühen der Delegierten, die von Deutsch-
land von Anfang an anerkannte Sonderstellung Frankreichs und Spaniens
mit dem internationalen Recht in Uebereinstimmung zu setzen, doch zum
Ziele führen wird. Sollte die Konferenz scheitern, so wird nicht Deutsch-
land die Verantwortung tragen, und die Folgen würden für uns nicht
empfindlicher sein, als für andere.
20. März. (Reichstag.) Tabaksteuer in der Steuerkom-
mission.
Die Steuerkommission lehnt in der zweiten Lesung ohne Debatte
einstimmig die Tabaksteuervorlage ab. Reichsschatzsekretär Frhr. v. Stengel:
Damit es nicht den Anschein gewinne, als ob die verbündeten Regierungen
mit der vollständigen Ablehnung der Tabaksteuervorlage sich zufrieden
gäben, so sehe er sich genötigt, namens der verbündeten Regierungen zu
erklären, daß, wenn es der Kommission nicht gelingen sollte, für den sich
hiernach ergebenden namhaften Ausfall einen auch für die verbündeten
Regierungen annehmbaren Ersatz zu finden, diese sich vorbehalten müßten,
seinerzeit bei der zweiten Beratung im Plenum auf die Erhöhung der
Tabaksteuer zurückzukommen.
20. März. (Elsaß-Lothringen.) Der Landesausschuß ge-
nehmigt einen Antrag Preiß, der eine Abschaffung des Weingesetzes
vom 24. Mai 1901 herbeiführen und den Handel mit Wein unter
das allgemeine Nahrungsmittelgesetz stellen will.
Der Antragsteller betont, daß der von ihm gestellte Antrag den
Zweck habe, die elsaß-lothringische Landesregierung für die bevorstehenden
Verhandlungen im Bundesrat über die Anschauungen der elsaß--lothringischen
Europäischer Geschichtskalender. XLVII. 5