Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

76 JNos Venuische Reich und seine einzelnen Glieder. (März 26./28.) 
zeit eine weise Beschränkung auferlegt hat auf das, was wirklich historisch 
begründet ist und vorauszusehen war. Ich habe meine Stellung zum 
Flottenverein sowohl im Plenum wie in der Budgetkommission ganz präzis 
gekennzeichnet und ich habe dieser meiner Stellungnahme nichts hinzuzu- 
fügen. Ich will nur auf einen Punkt näher eingehen: Die Bezeichnung 
„schwimmende Särge" für unsere alten Schiffe. Man hat gesagt, ich solle 
für die Leistungsfähigkeit dieser alten Schiffe eintreten. Ich habe aus- 
geführt, daß ich dies nicht könnte. Die Sachsenklasse stammt aus der Zeit 
des Admirals Stosch. Die Küstenpanzerschiffe der Siegfriedsklasse aus der 
Zeit des Grafen Caprivi. Der Marineverwaltung ist es nie eingefallen, diese 
für spezielle spezifische Zwecke konstruierten Schiffe als Linienschiffe auszugeben. 
27. März. Abg. Spahn (3.) weist Bebels Vorwürfe ab, das Zen- 
trum habe stets die Möglichkeit einer Flottenvermehrung zugegeben. Abg. 
Ablaß (fr. Vp.) stellt folgenden Antrag: Für den Fall der Annahme des 
Gesetzes, bezüglich der Deckung der Mehrkosten aus diesem Gesetze durch 
eine Reichsvermögenssteuer folgende Bestimmungen anzufügen: § 1a. Vom 
1. Oktober 1906 ab ist eine Vermögenssteuer zu erheben von allen deutschen 
Staatsangehörigen, deren bewegliches und unbewegliches Vermögen nach 
Abzug der Schulden den Gesamtwert von 100000 Mark erreicht. Die Ver- 
mögenssteuer beträgt bei einem steuerbaren Vermögen von 100000 Mark 
bis 120000 Mark 50 Mark und steigt bei größeren Vermögen bis zu einer 
Million für jede angefangenen 20000 Mark um 10 Mark; bei Vermögen, 
die über den Betrag von einer Million hinausgehen, steigt die Steuer für 
jeden angefangenen Betrag von 20000 Mark um 20 Mark. § 1b. Durch 
den Reichshaushaltsetat wird alljährlich festgestellt, wie viele Monatsraten 
gemäß § 1a zu erheben sind. § lc. Bis zum Erlasse eines Reichsver- 
mögenssteuergesetzes finden in bezug auf die Steuerpflicht, den Maßstab der 
Besteuerung, die Veranlagung, die Veranlagungsperiode und Verminderung 
der veranlagten Steuer innerhalb derselben, die Steuererhebung, die Straf- 
bestimmungen und die Kosten die entsprechenden Bestimmungen des Er- 
gänzungssteuergesetzes für die preußische Monarchie vom 14. Juli 1893 
sinngemäße Anwendung. Die näheren Bestimmungen werden durch eine 
vom Bundesrat zu erlassende Verordnung festgestellt. § 1 d. Die Zentral- 
behörde jedes Bundesstaats bestimmt die Behörden, welche mit der Ver- 
anlagung der Steuer, der Berufung gegen die Veranlagung und der Er- 
hebung in den Bundesstaaten zu beauftragen sind. 
Abg. Graf Arnim (RP.): Der Antrag gehöre in die Steuer- 
kommission. Der Flottenverein gehe in der Agitation nicht immer geschickt 
vor, habe aber doch Großes gewirkt. Abg. Müller-Meiningen (fr. Vp.) 
erkennt die Notwendigkeit der Flottenvermehrung an. Der Antrag Ablaß 
solle die Einführung neuer indirekter Steuern verhindern und die leistungs- 
fähigen Schultern heranziehen. Etwa 180000 Zensiten würden darnach 
40 Millionen aufbringen. Staatssekretär Frhr. v. Stengel: Der Bundes- 
rak“ lehne jede Uebertragung direkter Steuern auf das Reich ab. Abg. 
Mommsen (fr. Vg.) bedauert, daß die Flottenverstärkung nicht schon früher 
beschlossen sei; der Antrag Ablaß sei durchaus erwägenswert. Abg. Büsing 
(nl.) lehnt den Antrag scharf ab, da er utopisch sei. Abg. v. Oldenburg 
(kons.): Deutschland brauche nicht eine so große Flotte wie England, aber 
eine so große, daß bei einem Kampfe die englische Flotte Gefahr läuft, 
ihre Vormachtstellung zu verlieren. Bei der Abstimmung ist das Haus 
nicht beschlußfähig; am 28. wird die Abstimmung wiederholt und die Vor- 
lage gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, der freisinnigen und süd- 
deutschen Volkspartei angenommen. Der Antrag Ablaß wird mit 142 
gegen 67 Stimmen abgelehnt.
	        
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