Das Deutsche Reich und seine einjelnen Glieder. (März 29.) 81
unter der heutigen Organisation noch allenfalls funktionieren konnte. Sein
plötzlicher Tod hat die Zwangslage für uns noch zugespitzt. Es liegt mir
fern, die Frage der Organisation nach persönlichen Gesichtspunkten ent-
scheiden zu wollen. Ich darf aber wohl daran erinnern, daß seinerzeit —
die älteren Herren werden sich ja wohl dessen noch erinnern — die Aus-
scheidung des Reichsjustizamtes und der Verwaltung der Reichseisenbahnen
aus dem früheren Reichskanzleramt damit begründet wurde, daß nach dem
Rücktritt des Staatsministers v. Delbrück vom Reichskanzleramt und dem
damit verbundenen Verlust an Arbeitskraft und Geschäftskenntnissen die
geplante organisatorische Veränderung sich nicht länger hinausschieben ließ.
Hinsichtlich der Kolonialabteilung befinden wir uns heute genau in der
gleichen Lage. Wie sehr für die Kolonialverwaltung selbst die Ausgestal-
tung der Kolonialabteilung zu einer unabweisbaren Notwendigkeit ge-
worden ist, das brauche ich nach den eingehenden Darlegungen, die hier-
über in der Kommission gegeben worden sind, wohl nicht im einzelnen auf-
zuzählen. Es ist dargelegt worden, daß die Kolonialabteilung des Aus-
wärtigen Amtes an Beamtenzahl wie an Geschäftsumfang nur wenig hinter
anderen Ressorts zurücksteht und daß sie verschiedene dieser Ressorts, an
denen doch auch eine ganz respektable Arbeit geleistet wird, übertrifft. Es
ist also zweifellos, daß der Chef der Kolonialverwaltung im inneren Be-
triebe seiner Behörde dieselbe Entlastung braucht und Anspruch auf die-
selbe Entlastung hat wie die Vorstände der anderen Reichsämter. Dem
Chef der Kolonialverwaltung muß die Möglichkeit gegeben werden, daß er
sich den Kopf freihält für die großen Aufgaben der Kolonialpolitik. Diese
Entlastung ist die Voraussetzung für die Führung einer rationellen Kolonial-
politik, sie ist auch die unerläßliche Voraussetzung für die allgemein als
Notwendigkeit anerkannte Reform auf dem ganzen Gebiet der Kolonial=
verwaltung. Bei der Verhandlung des Etats im Dezember hat der Abg.
Fritzen geäußert, er wünsche eine Reorganisation unserer Kolonialverwal-
tung von unten, ausgehend von der lokalen Verwaltung der einzelnen
Schutzgebiete. Ich habe damals, wie ich glaube, ungefähr erwidert, wir
wollen das eine tun und das andere nicht lassen, wir wollen eine Reform
in membris et in capite. Heute möchte ich hinzufügen: Eine Reform in
den Gliedern, die ich für ebenso notwendig halte, wie der verehrte Herr
Abg. Fritzen, ist nach meiner festen Ueberzeugung aussichtslos, wenn nicht
durch eine Reform am Haupt dafür gesorgt wird, daß die Zentralinstanz
ihren Aufgaben genügen kann. Von der finanziellen Seite der Angelegen-
heit glaube ich mit Ihrem Herrn Referenten absehen zu können. Die Mehr-
kosten des Reichskolonialamts sind so geringfügig, daß sie für die Ent-
scheidung einer Frage von dieser Bedeutung überhaupt nicht mitsprechen
können. Auch das Bedenken, als ob durch die Trennung der Kolonial=
verwaltung vom Auswärtigen Amt in einzelnen Angelegenheiten eine Er-
schwerung des Geschäftsganges eintreten könne, vermag ich als stichhaltig
nicht anzuerkennen. Ich werde nach dem Vorbild von Einrichtungen, wie
sie sich im Verkehr zwischen anderen, sich in ihrem Geschäftskreise nahe be-
rührenden Ressorts entwickelt haben, alle Vorkehrungen treffen, welche ge-
eignet sind, einer solchen Erschwerung des Geschäftsganges vorzubengen.
Und endlich möchte ich auch der Besorgnis entgegentreten, als ob durch die
Lostrennung der Kolonialverwaltung vom Auswärtigen Amt die Einheit-
lichkeit unserer auswärtigen Politik irgendwie tangiert werden könnte.
Seien Sie versichert, daß weder ich noch irgend einer meiner künftigen
Nachfolger die Einheitlichkeit in der Leitung der auswärtigen Politik durch
die Errichtung des Kolonialamts auch nur im mindesten beeinträchtigen
lassen wird. Ich habe mich schon vor Jahr und Tag dagegen verwahrt,
Enropäischer Geschichtskalender. XIVII. 6