D#s Penische Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 26. Juni'August.) 125
Notiz der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ die Ankündigung ihrer
Entlassung und die Namen ihrer Nachfolger gelesen. Wenn die hiesigen
„Neuesten Nachrichten“ sich auf Herrn v. Studt selbst als Quelle dafür be-
rufen, daß ihm der Wechsel im Kultusministerium im gegebenen Augen-
blick überraschend gekommen sei, so haben sie sicher recht, denn Herr v. Studt
hat so wenig wie Graf Posodowsky ein Hehl daraus gemacht, daß er sich
durch dieses plötzliche und schnelle Verfahren verletzt gefühlt hat. Es hätte
keinen Zweck, auf diese Dinge, über deren tatsächlichen Hergang wirklich
nicht zu streiten ist, erneuten Anzweiflungen gegenüber wieder zurück-
zukommen, wenn es sich nicht darum handelte, festzustellen, daß die damals
vorgenommenen Veränderungen in der Regierung des Reiches und Preußens,
die Ersetzung des Herrn Studt durch Herrn Holle, die Ernennung des
Herrn v. Moltke zum Minister des Innern und die Ernennung des Herrn
v. Bethmann-Hollweg zum Staatssekretär des Innern und zum Bize-
präsidenten des Staatsministeriums ein einheitlicher politischer Akt waren,
der zu dem ausgesprochenen Zwecke erfolgt ist, mehr Einheitlichkeit zwischen
der Politik im Reiche und in Preußen herbeizuführen, also, kurz gesagt,
ein Akt, durch welchen manchen Anzweiflungen gegenüber kundgegeben
werden sollte, daß man das, was man die Blockpolitik nennt, auf Preußen
übertragen will. Das war die Absicht. Ob sie mit einiger Konsequenz
durchgeführt, und was dabei erreicht werden wird, das bleibt abzuwarten
und kann sich nicht in wenigen Wochen, vor allem nicht in der parlaments-
losen Zeit, sondern erst im Laufe der nächsten Session entscheiden.“
26 Juni. (Hessen.) Die Zweite Kammer polemisiert gegen
die von der Regierung beantragte Erweiterung der verfassungs-
mäßigen Rechte der Ersten Kammer.
Juni bis August. Streit unter den Katholiken über ein
Schelldenkmal, Indexfrage, Kulturbund. Eingreifen der Kurie.
Es bildet sich ein Komitee, um dem verstorbenen Würzburger
katholischen Theologen Schell ein Grabdenkmal zu setzen. Dazu gehören
unter anderen viele Professoren der Theologie, der Erzbischof von Bam-
berg und der Bischof von Passau. Gegen die Absicht protestiert der Wiener
Professor der Theologie Dr. Commer, weil einige Bücher Schells auf den
Index gesetzt seien. Commer wird deshalb vielfach angegriffen, am 14. Juni
richtet der Papst folgenden Brief an ihn: Geliebter Sohn, Gruß und
apostolischen Segen! Mit höchster Freude haben wir das Werk entgegen-
genommen, welches du zu einem für unser Zeitalter und am meisten für
deine Mitbürger höchst nützlichen Zwecke verfaßt hast, um nämlich die Irr-
tümer, welche in den Schriften des jüngst verstorbenen Hermann Schell
versteckt sind, auszugsweise darzustellen und sie nach Prüfung zurückzuweisen.
Es ist allgemein bekannt, daß Hermann Schell durch die Unbescholtenheit
seines Lebens, ebenso durch seine Frömmigkeit, durch seinen Eifer für die
Beschützung der Religion und noch durch andere Tugenden sich aus-
gezeichnet hat, aber nicht ebenso durch die Unverdorbenheit seiner Lehre.
So kam es, daß der apostolische Stuhl einige seiner Schriften als zu wenig
mit der katholischen Wahrheit in Uebereinstimmung mißbilligt und öffent-
lich verurteilt hat. Daher mußte man ohne Zweifel das Vertrauen in die
Katholiken setzen, daß sich niemand finden würde, welcher dem sonst lobens-
werten Manne in seiner Abirrung von der katholischen Lehransicht nach-
folge, und daß die nach vorsichtiger Aufdeckung der Gefahr davor sicher
gestellte Lehre nicht nur rein bewahrt werde, sondern auch nach Fort-
schritt streben könne. Aber im Gegenteil. Wir haben in Erfahrung ge-